Finsterbusch, Ludwig

Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Mülheim an der Ruhr, 2. Februar 1914

Mülheim-Ruhr, d. 2. Febr. 14.

Lieber Ernst!

In nächster Zeit wird Dein 80. Geburtstag gefeiert, u. Du wirst so viel Zuschriften u. Huldigungen erhalten, daß Du kaum wirst Dich durchfressen können, wie Hans Sachs in seinem Schlaraffenland das beschreibt, durch den dicken Reisbrei hindurch an die freie, frische Luft. Da ziehe ich es vor als Einspänner vor der Zeit vorzufahren und Dir einen Glückwunsch darzubringen, wie vor etwa 70 Jahren mit einem Blumentöpfchen für 25 Pfennige, das ein blaues blühendes Zwiebelgewächs beherbergte. Dann gabʼs bei Deiner (Mama) Mutter Geburtstagskuchen und Butterbrod mit rheinischem Apfelkraut. Noch sehe ich sie || mit ihren offenen Augen vor uns in Deinem Zimmer stehen, so glückselig über ihren zweiten Jungen, wenn der in homerischem Lachen seiner Seele Luft machte.

Du hast alle Zonen der Erde kennen gelernt, so viel Interessantes, Großartiges etc. gesehen u. erlebt, aber die Erinnerung an Deine Mutter wird Dir doch das Liebste sein. Und nun will ich Dich nicht weiter mit Brieflesen quälen. Halt, doch noch eins. Eben erhielt ich von Bremen ein Telegramm, daß meine Schwiegertochter aus Buenos-Aires mit ihrem Jungen, der 1½ Jahr alt ist, in Bremen angekommen ist, nach Hamm i/W. zu ihren Eltern reist u. am Donnerstag in Mülheim eintrifft. Wir sind sehr erfreut. Nun Schluß!

Also noch einmal. Hoch Ernst mit 80 Jahren!

Halt Dich stramm, alter Junge! Grüße von Frau u. Tochter! In alter freundschaftlicher Liebe

Ludwig Finsterbusch.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
02.02.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2371
ID
2371