Hein, Reinhold

Reinold Hein an Ernst Haeckel, Danzig, 11. Juli 1860

Danzig d. 11ten Juli 1860.

Mein lieber Freund!

Ich habe etwas gezögert mit dem Danke, den ich Dir schuldig bin für das große Vergnügen, das Du mir durch Uebersendung Deines Reiseberichtes gemacht hast, und da hat sich inzwischen in diese Freunde wiederum das Gefühl eines leisen Schmerzes gemischt über den Tod des von Dir ja auch so hoch verehrten und geliebten Freundes Lachmann. Du hast davon gewiß schon früher als ich Nachricht gehabt und doch wird Dein Schmerz noch eben so neu sein, als der Meinige. Mir ist in der That jede Erinnerung an meine schönste Jugendzeit jetzt durch dies Ereigniß getrübt, denn in alle Erinnerungena war ja mein guter Lachmann verflochten und Du warst ja oft genug Zeuge unseres innigen, nie gestörten Verhältnisses. In Deinem Briefe erwähnst Du nichts von unserem lieben, entschlafenen Lachmann, von dessen Tod ich zufällig durch ein Zeitungsblatt etwas erfuhr. Vielleicht hast auch Du auf Deiner Reise erst spät und zufällig davon gehört. Ich bin hier so traurig isolirt und abgeschieden von allem näheren Verkehr mit den alten Freunden, daß ich um etwas Näheres zu erfahren über Lachmann an mehrere derselben schrieb, merckwürdiger Weise jedoch ohne eine Antwort zu erhalten. Erlaubt es Dir irgend Deine Zeit, dann wirst Du mir durch einige private Zeilen eine große Freude bereiten, in denen Du mir z.B. erzähltest, wie Du den Lachmann noch bei Deinem Besuche in Bonn gefunden hast. Unser Häuflein wird leider Gottes immer kleiner und um so mehr thut es Noth, daß man sich enger an einander schließe. Ich wenigstens fühle das Bedürfniß; vielleicht sind die Andern glücklicher situirt, die es nicht empfinden. Ich aber halte an meinen alten Freunden treu fest und es sollte mich sehr schmerzen, wenn sie mich verlassen wollten! – Du bist noch immer der alte, gute Schwärmer, wie ich daraus erfahre, daß Dein neuer Freund Allmers Dich beinahe bewogen hätte, den Naturwissenschaften untreu zu werden. Du hättest Dich doch hinterher sehr über Dich selbst gewundert und auch wohl geärgert, wenn Du es gethan hättest. Uebrigens habe ich mich ungemein gefreut, daß Dir Deine Reise im Ganzen so gut geglückt ist, wenn auch || leider die wissenschaftliche Ausbeute nicht immer die erwünschte gewesen sein mag. Jetzt aber wünsche ich Dir von Herzen, daß Du bald zu einem ansessigen Leben übergehen mögest, um auch den gerechtfertigten Wünschen Deiner lieben Braut gerecht zu werden. Ich habe mich nicht wenig gewundert, daß dieselbe Dir einen so langen Urlaub gegeben hat und nehme außerdem an, daß Du in Deinem, sonst sehr ausführlichen, Berichte vergessen habest, die Stellen anzugeben, wo Du Dich nach ihr gebangt hast! – Die Wahl der Universität, wo Du Dich habilitiren willst, halte ich für sehr wichtig und sehe nicht ein, warum Du gerade nur unter den kleinen wählen willst? – Außerdem ist mirb eine Idee in den Sinn gekommen, die Du vielleicht verwerfen wirst, die mir aber doch des Vorschlagens werth erscheint; Nämlich die Idee, daß Du Dich zu der durch Lachmanns Tod erledigten Stelle in Poppelsdorf melden könntest. Ich bin überzeugt, daß Du Dich dazu eignen würdest und glaube auch, daß eine solche Stellung Dir mehr zusagen müßte, als irgend eine Privat-Docentur. Freilich würdest Du glücklicher sein dabei, wenn die Stelle durch eine Versetzung unseres Freundes vacant geworden wäre. – In einem etwa zu erwartenden Privatbriefe würde ich gern Deine Ansicht darüber erfahren und ferner Dich bitten auch etwas zu erwähnen, darüber, wie es Deinen guten alten Eltern ergeht, ob Dein Papa noch so munter und rüstig und ob sie noch freundlich sich meiner erinnern? Dann möchte ich auch wissen, was Du etwa über die Familie Passow erfährst; wo die junge Wittwe bleiben wird u. ob auch einigermaßen für die kleine Familie gesorgt ist? – Ich bin sehr betrübt darüber, daß ich nicht meinen Plan, Beckmann u. Lachmann zu besuchen, habe ausführen können; allein ich war 2 mal auf längere Zeit zur Landwehr eingezogen u. einmal auch auf dem Marsch mit einem mobilen Garde-Bataillon. Jetzt läßt sich das leider nicht mehr nachholen! – Ich lebe hier sonst ganz ruhig zufrieden mit meiner Praxis, die mich auch verhältnißmäßig gut nährt und hoffentlich noch immer besser werden wird. Wilhelm ist jetzt mit einem combinirten Garde-Regiment hieher versetzt u. es wohnen nun 3 Aerzte in unserm Hause: 1) der Sanitätsrath, 2) der Doctor, 3) der Assistenzarzt. – Grüße bestens Deine lieben Eltern u. empfiehl mich der Familie Reimer, wenn sie sich meiner noch erinnert! –

In alter Liebe

Dein Reinold Hein.

Ich habe mir erlaubt, Deinen Brief meinen Eltern u. Bruder, so wie auch einem Prof. Hirsch u. Dr. Laubert (einem Freunde von Wachsmuth) mitzutheilen u. hole nachträglich die Erlaubniß ein.c

a von oben eingef.: Erinnerungen; b von oben eingef.: mir; c Text weiter auf dem linken Rand von S. 1: Ich habe … Erlaubniß ein.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.07.1860
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 23505
ID
23505