Mülheim a/d Ruhr, den 16. April 1876.
Lieber Freund!
Es wird Dich doch wohl interessiren zu hören daß aus unserm neulichen Gespräche sich eine Frucht entwickelt hat. Ich bin mit Fräulein Koll verlobt, ich hänge mit ihr (natürlich nur die Namen) bereits seit 8 Tagen im Kasten auf dem Rathhause. Nächsten Sonnabend soll die Hochzeit (ganz, ganz still) sein, und noch an selbigem Tage reise ich mit der jungen Frau auf 8 bis 9 Tage nach Paris ab. Glaubst Du, daß eine Adresse von Dir mir von Nutzen sein kann, dann bitte ich Dich herzlich mir solche per Karte zu schreiben. Meine Braut ist mit Ernst in Minden, und kommt Tags vor der Hochzeit zurück. || Sie ist in eminenter Weise glücklich über die beabsichtigte Reise nach Paris; denn für sie hat der dortige Aufenthalt ungemein mehr Reiz noch und Nutzen, da sie, die feinsten Nüancen der Aussprache leicht auffassen kann und wird. Und deshalb glaube ich auch, daß ein Aufenthalt mit ihr a von 8 Tagen auch für mich von größerem Vortheile sein wird, als ein solcher von 2 oder 3 Wochen ohne sie.
Dein Brief und Geld von Potsdam aus ist angekommen. Die kleinere Summe war die richtige, wie Du wahrscheinlich bei Deiner sonstigen Genialität auch wirst gewußt haben, denn ich wollte mal Dein Halloh hören, wenn in Deinem Privatissimum einer Deiner jüngsten Mitarbeiter an dem Werke der Verkorallisirung der armen Menschheit einen solchen Zähl-Fehler || in Bezug auf die Anzahl der Beine eines Infusoriums oder in Bezug auf die Anzahl der Flimmerhaare eines antiken Großvaters irgendeines noch nicht zum Thiermagen avancirten Protisten gemacht hätte. Aber so ist es immer: die kleinen Diebe hängt man, die großen laufen herum. Die Differenz ist nach Deiner beliebten Kategorie der Differenzierung in b den blechernen Sammelraum (deutscher Ausdruck nach Post-Stephan für Sparbüchse) des nach der Descendenz-Theorie hinter mir kommenden Individuum der species homo sapiens gekommen, welcher hiermit seinen Dank stammelt.
Die Radiolarien u. Korallen bekommst Du zum Mai zurück.
Viele u. herzliche Grüße von meiner Braut u. mir an Dich und Deine liebe Frau.
Dein
alter Freund
Ludwig Finsterbusch.
a gestr.: auf; b gestr.: die