Finsterbusch, Ludwig

Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Merseburg, 17. Juli 1867

Merseburg, den 17. Juli 67.

Mein lieber Ernst!

Deinen vorläufigen Reisebericht habe ich erhalten und danke Dir für das belehrende und interessante Stündchen, welches Du mir dadurch gemacht hast. Indeß enthielt das Paquet noch einen kostbareren Schatz, Deine Verlobungsanzeige. Ich und meine Frau haben uns sehr darüber gefreut und wünschen Dir von tiefstem Herzen innere Befriedigung im Verkehr mit dem geliebten Wesen Deiner Wahl und Gottes Segen für die äußeren Verhältnisse des Lebens. Wiederum kannst Du nach Deinen Entdeckungsreisen im Gebiete der Wissenschaft den Pulsschlag eines liebenden Wesens fühlen, welches über Deine Erfolge sich mitfreut, dem Du aus dem reichen Schatze Deiner Erkenntniß verschwenderisch mittheilen kannst. Noch einmal meine herzlichsten Wünsche für das neue Band.

Wie Du aus dem Poststempel siehst, weile ich gegenwärtig einige Zeit in Merseburg – noch das alte – mir aber fast entfremdete. || Meine Eltern erfreuen sich noch einer immerhin rüstigen Gesundheit und bringe ich bei ihnen mit meiner Frau recht angenehme, stille Tage der Ruhe und Ausspannung hin. Denn in Minden habe ich reichliche Beschäftigung, da ich außer meinen Amtsgeschäften vielfach in Anspruch genommen bin. Mein Familienleben ist Gottlob ein recht glückliches. Zwar sind uns 2 Kinder gestorben, das erste nach 12 Wochen, das andere nach 8 Wochen. Aber das zweite ist uns geblieben und gegenwärtig 3 Jahre alt. Wir haben es zur Freude der Großeltern mitgebracht. Es ist ein prächtiges, gesundes, dabei recht lebhaftes Kind – galt hier im zahmen Merseburg die ersten Tage wegen seines resoluten Wesens für einen Jungen, zumal da ihm die Haare abgeschnitten sind und es so viel frische Luft athmen darf, als es nur will.

Von früheren Freunden, Lehrern, Bekannten und Gekannten hier in Merseburg ist wenig zu melden. Osterwald ist in Mühlhausen. Nur a Thielemann habe ich getroffen – || nach wie vor, derselbe von Ewigkeit her, und trotzdem alles andre eher, als der olympische Zeus. – Karo habe ich nicht getroffen, werde ihn aber noch sprechen. – Der Generalstabsarzt Dr. Schwarz, jetzt 80 Jahre alt, dem Geiste nach noch immer eine knorrige Eiche, dem Leibe nach etwas reducirt. – Sonst findet man nur wenige anziehende Naturen, um so mehr Duzend-Naturen, wie sie Schopenhauer nennt.

Mein Wirkungskreis in Minden gefällt mir. Als vorgesetzten Schulrath habe ich Dr. Wantrup und wird dadurch das Leben wenigstens nicht monoton. Überhaupt sagt mir das Leben in Westphalen zu, da die dortigen Menschen einen ausgeprägteren Willen haben als hier in Sachsen.

So wenig es auch in diesen Brief paßt, kann ich doch nicht umhin, Dir mein tiefes Beileid über das Schicksal Deines Bruders auszudrücken. Vor allem hat mich Deine brave Mutter gedauert, sie, eine der bravsten Frauen auf dem Erdboden, muß in ihrem Alter das Herzeleid ihrer Kinder || mit tragen! Sie jammert mich, wenn ich nur daran denke. Dein Vater soll auch – und wahrlich kein Wunder istʼs – die Spuren des Alters tragen. Gewiß sind sie die Sommermonate über wieder bei Dir. Grüße sie herzlich von mir und meiner Frau.

Wohl wünschte ich Dich auf 2 oder 3 Tage zu besuchen. Aber ich weiß nicht, ob ich Dir gelegen komme. Ich sage das gerade heraus und erwarte von Dir ebenfalls eine offene Antwort. Im Falle es die Verhältnisse gestatten, käme ich nächsten Sonnabend den 20. Juli Nachmittag dort an und führe Montag oder spätestens Dienstag wieder zurück. Aber wahrscheinlich wird nichts daraus – ich weiß Deine Hochzeit steht nahe bevor, im August. Die Frau des Dr. Frommann sagte es mir, sie kennt Deine Braut.

In alter Anhänglichkeit

Dein

Ludwig Finsterbusch.

a gestr.: Gt

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
17.07.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2331
ID
2331