Zürich, d. 31. Juli 1914
Hôtel Neptun.
Hochverehrter Herr Professor!
Da Herr Professor Keller erst gestern abend von einer Exkursion nach Samaden zurückgekehrt war, so konnte ich ihm nicht vor heute meinen Besuch abstatten. Er empfing mich sehr liebenswürdig in seiner Wohnung, Forchstrasse 151, erkundigte sich eingehend nach Ihnen und ließ Sie herzlich grüßen. Er ist auch sehr ungehalten darüber, daß Sie in Bezug auf das Phyletische Museum || so viel Ärgernis haben. Da das Polytechnikum jetzt umgebaut wird und er mir daher dort keinen Arbeitsplatz anweisen kann, so empfahl er mich Herrn Professor Hescheler, welcher mir dann auch sehr liebenswürdig versprochen hat nach meiner Rückkehr von Schuls die nötigen Vorbereitungen für mich zu treffen. Herr Professor Lang war noch vorigen Sonntag in Zürich, scheint aber jetzt verreist zu sein.
Hier herrscht wegen der drohenden Kriegsgefahr große Aufregung. Ich füge diesem Briefe ein Extra-Blatt bei, das eben auf der Straße verteilt wurde. Wir wollen hoffen, daß es nicht zum Äußersten kommt. Die Folgen eines Weltkrieges sind garnicht abzusehen. ||
Mit nochmaligen herzlichsten Dank für die schönen, unvergeßlichen Tage, welche Sie mir, hochverehrter Herr Professor, in Jena bereitet habe, und mit meiner besten Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin, der es, wie ich hoffe, gesundheitlich jetzt besser geht, sowie auch an Fräulein Holgers verbleibe ich
Ihr ganz ergebener, dankbarster
P. v. Rautenfeld