Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Swatow, 20. April 1903

Swatow, d. 20. April 1903

Custom-House.

Hochgeehrter Herr Professor!

Vor meiner letzten Rückreise nach China hatte ich meinen Buchhändler in Hamburg ersucht mir alles was von Ihnen in veränderter Auflage oder neu noch veröffentlicht werden sollte, sogleich zu zusenden und so erhielt ich denn vor kurzem die schön ausgestattete, neue Zusammenstellung Ihrer Vorträge und Abhandlungen. Ich kann nicht umhin Ihnen || meine Freude über die Erfüllung dieses von mir schon längst gehegten Wunsches auszusprechen, denn immer wollte ich die mir so lieb gewordenen Vorträge alle beisammen haben, um bequem in ihnen nachlesen zu können. Dazu kommen noch das siebente Heft der Kunstformen der Natur und die reizenden malayischen Landschaftsbilder in Bölsche’s „Sonne und Sonnenstäubchen“. Ich bedauere, daß letztere nicht auch in gleichem Druck wie die Hildebrandtschen Skizzen vorhanden sind, ich würde mir dann mit ihnen meine Zimmer ausschmücken. Ihre Aquarelle rufen in mir immer so lebhaft und || naturgetreu Selbsterlebtes wach, bin ich ja so oft auf Haeckel’s Pfaden gewandert mit dem Bewußtsein meinem hochverehrten Freunde und Lehrer so unendlich viel Anregung für alles Schöne in der Natur zu verdanken.

Ich sandte Ihnen als Neujahrgruß meine Photographie mit einem schwarzen Gibbon aus Hainan, (ein recht seltenes Tier), und erlaube mir nun, in diesem Briefe einliegend, zu Ihrer vollkommen freien Verfügung, zwei sehr gelungene Bilder eines, in meinem Garten abgenommenen, chinesischen Fischers, welchen ich vor meiner Straßenpforte aus seinem Boot herbeigerufen hatte, zu stellen. ||

Auch füge ich einige Tierbilder hinzu, worunter sich ein hellblau punktierter brauner Schlammfisch befindet von etwa vier Zoll Länge, der, fast wie eine Eidechse, hier während der Ebbe mittelst seiner drei Brustflossen auf dem feuchten Meeresboden hin und her läuft und, wenn erschreckt, sich sofort im Schlamm einwühlt. Das Meer bietet hier überhaupt viel Außergewöhnliches. Mein Zeiss’sches Reisemikroskop erwarte ich dieser Tage und werde dann in Radiolarien und anderen Planktonbewohnern des Salz- und Süßwassers schwelgen.

Mit bester Empfehlung an Ihre verehrte Frau Tochter, Frau Professor Meyer, und deren Gemahl verbleibe ich Ihr ganz ergebener,

P. v. Rautenfeld

Brief Metadaten

ID
22285
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
China
Datierung
20.04.1903
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
10,0 x 15,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 22285
Zitiervorlage
Rautenfeld, Paul von an Haeckel, Ernst; Swatow; 20.04.1903; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_22285