Ludwig Aschenbrenner an Ernst Haeckel, München, 23. Mai 1906

[egh. ausgefüllter Vordruck]

Zeugenvorladung.

(Abschrift).

In der Untersuchungssache

gegen Richter August

wegen Vergehens wider die Religion

wird Herr Professor Dr. Ernst Haeckel

wohnhaft in Jena

als Zeuge und Sachverständiger in die am

Montag den 28ten Mai 1906

Vormittags 9 Uhr

vor dem Schwurgerichte am kgl. Landgerichte München I, Justizpalast, Sitzungssaal Nr. 165 Eingang Ostthor zweites Geschoß Thüre No 165a stattfindende Hauptverhandlung vorgeladen und zu pünktlichen Erscheinen hiemit aufgefordert.

Der Zeuge, welcher ohne genügend entschuldigt zu sein, in der Sitzung nicht erscheint, ist gemäß 4 50 der Reichs-Strafprozeßordnung in die durch das Ausbleiben verursachten Kosten, sowie zu einer Geldstrafe bis zu 300 Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu 6 Wochen zu verurteilen. Auch ist die zwangsweise Vorführung der Zeugen zulässig.

Gegenwärtige Ladung ist zur Sitzung mitzubringen, da nur gegen Vorzeigung derselben die Auszahlung der Zeugengebühr stattfinden kann.

Im Falle der Dürftigkeit kann der Zeuge bei dem Rentamte, in dessen Bezirk er wohnt, unter Vorzeigung dieser Ladung die Erteilung eines entsprechenden Vorschusses für seine Auslangen verlangen.

Für den Fall, daß der Zeuge den in dieser Ladung angegebenen Aufenthaltsort inzwischen verlassen hat, oder vor dem Termin verlassen wird, wird der Zeuge aufgefordert, hievon schleunigst Anzeige zu machen.

Gegenstand der Gutachtens: (siehe Rückseite Ƒ)

München, den 23ten Mai 1906

Der Erste Staatsanwalt

bei dem kgl. Landgerichte München I.

I. V.

gez. Aschenbrenner

Zur Beglaubigung:

Der Gerichtsschreiber bei der Staatsanwaltschaft

am kgl. Landgerichte München I.

Burgmann

k. Sekretär. ||

Ƒ daß die Geschichte des Papstthums ein Beweis dafür ist, daß in der katholischen Kirche unter der Autorität der Päpste, Bischöfe u. s. w. ein verbrecherischer kulturfeindlicher Geist geduldet würde, daß die katholische Kirche nicht nur im Mittelalter, sondern bis in unsere Zeit herein die Kulturentwicklung der Menschheit in verwerflicher gemeingefährlicher Weise gehemmt hat – insbesondere die katholische Kirche der wissenschaftlichen Forschung insbesondere der unabhängigen, freien, vorurteilslosen Forschung auf dem Gebiete der Naturwissenschaft und der Historie hemmend entgegentritt, daß Ihre Auffassung, das Papsttum sei der größte Schwindel der Weltgeschichte sich vollinhaltlich deckt mit der Behauptung des Angeklagten, in der katholischen Kirche habe von jeher ein gemeingefährlicher, verbrecherischer Geist geherrscht.

Brief Metadaten

ID
21589
Gattung
Brief ohne Umschlag
Institution von
Staatsanwaltschaft München
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
23.05.1906
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
33,0 x 21,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 21589
Zitiervorlage
Aschenbrenner, Ludwig an Haeckel, Ernst; München; 23.05.1906; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_21589