Ernst Reimer an Ernst Haeckel, Berlin, 25. März 1892
Georg Reimer in Berlin.
S. W. Anhaltstr. 12.
Berlin 25. März 1892
Lieber Ernst
ich bin Dir noch vielen Dank schuldig für die Uebersendung Deiner patriotischen Ergüsse, von denen besonders der zweite uns ganz aus der Seele geschrieben ist. Ja! was müssen wir noch alles befürchten, wie war das früher anders, und wie bedenklich ist es noch trotz dem begrabenen Schulgesetz. Von dem neuen Ministerpräsidenten Eulenburg darf man zwar vernünftiges erwarten, aber wie der strenggläubige Bosse als Kultusminister gut thun kann, ist nicht zu verstehen; nur darauf darf man rechnen, daß era sich nicht wie sein Vorgänger an einem Schulgesetz die Finger verbrennen wird.
Der Kaiser hat eine schlimme Ohrenentzündung gehabt. Einige hiesige Ärzte wollen sogar wissen, daß er operirt worden sei. Die ganze Geschichte wird sehr geheimnißvoll behandelt.
Hoffentlich ist Deine liebe Frau recht bald || wieder hergestellt, damit Ihr die italienische Reise nicht ganz aufzugeben braucht.
In Hamburg haben sie noch immer viele Sorge um den Kleinsten, der seinen Keuchhusten Schleim nicht ausbricht und darum recht langanhaltende Stickanfälle bekommt. Nichts destoweniger denken die jungen Eltern an eine Luftveränderung für die Kinder und werden wohl im nächsten Monat, sobald das Wetter darnach ist, hierher reisen.
Viele Grüße an Agnes und Emma
von Deinem treuem E. Reimer
a eingef.: er