Georg Ernst Reimer an Ernst Haeckel, Berlin, 7. August 1866

Berlin 7 Aug. 1866

Lieber Ernst

Deinen Brief nebst Manuskript habe ich gestern richtig erhalten und die Einlage an Tante Bertha gleich besorgt. Den Druck des Anfangs zum 2ten Bande hier auszuführen ist mir wie ich Dir offen gestehe sehr ungelegen. Abgesehen davon, daß das Papier zum 2ten Bande, nachdem ich es von Leipzig nach Jena habe schicken lassen nun theilweise wieder hierher geschickt werden muß und daß es nicht schön ist den Anfang mit Römischen Ziffern besonders zu paginiren, wobei dann auch noch fraglich bleibt wie es dann mit dem Inhaltsverzeichnis werden soll, habe ich auch grade in der Druckerei genug zu thun und bin wenigstens außer Stande jetzt mehr als einen Setzer mit dem Anfang zu beschäftigen. Es ist wirklich das erstemal in meiner Praxis daß ich einen und denselben Band in verschiedenen Buchdruckereien || und gar in verschiedenen Städten drucken lasse. Es ist streng genommen sogar preßgesetzwidrig. Indessen mag es geschehen, wenn Dir viel daran gelegen ist. Von der 2ten Tafel werde ich Dir noch eine Revision schicken.

Tante Bertha bei der ich heute war und sie wohlauf fand äußerte zu Karl noch nichts. Wenn er kommt hoffe ich ihn hier zu sehen.

Daß die großen Opfer nicht vergeblich gebracht sein werden und es mit den deutschen Verhältnissen besser werden wird denke ich auch, fürchte mich auch vor der Mainlinie nicht wenn man fürs erste nicht mehr erreichen kann. Der Zollverein ist auch erst nach und nach zu Stande gekommen und ist das beste Hinderniß völliger Zweitheilung. Lächerlich erscheint das Gerede von der Zerreißung Deutschlands. Zerreißen kann man doch nur ein Ganzes; war das etwa der Bund? Ich bescheide mich und bin zufrieden wenn man fürs erste ein gutes derbes Stück aus den verschiedenen Flicken dauerhaft zusammensetzt. Das andere wird nicht ausbleiben. Ich habe immer gedacht, || daß Deutschland diese blutige Operation einmal würde zu erdulden haben, ehe es besser würde, aber ich hatte nicht gehofft daß ich das noch erleben, und daß sie sich so schnell vollziehen würde. Das Los von Oesterreich war nothwendig.

Mit der vorgestrigen Thronrede kann man zufrieden sein, sowohl mit dem was darin steht, als was nicht darin steht. Ich hatte gefürchtet sie würde viel schlechter ausfallen es würde nichts von Anerkennung der Verfassung und der bisherigen Ungesetzlichkeit der Verwaltung gesagt und dagegen mit dem Früchten der Reorganisation des Heerwesens geprahlt werden. Was die Junker- und Malteserwirthschaft und den daraus erwachsenden Uebermuth betrifft so hat die Erfahrung gelehrt daß sie nicht in und nach dem Kriege am schlimmsten sind, sondern vielmehr in lang dauerndem Frieden. Herzliche Grüße an Deine Eltern. Ernst ist mit Frau und Kind seit acht Tagen in Misdroy. Bei uns geht es Gott Lob wohl

Dein G Reimer

Brief Metadaten

ID
20999
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
07.08.1866
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,4 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20999
Zitiervorlage
Reimer, Georg an Haeckel, Ernst; Berlin; 07.08.1866; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_20999