Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 2. Januar 1877

Glasgow 2 Jan. 1877. –

Bester Freund!

Ich habe wahrhaftig 1876 vorbei gehen lassen ohne Ihnen zu sagen daß die Kiste mit den entzückenden Muscheln, Korallen und Seeigeln, – Ihrer Anthropogenie mit der liebenswürdigen Dedication – dem interessanten Marschenbuch – den hübschen Jenaer Ansichten und last not least den lieben lieben Bildern von Ihnen und Ihrer Familie – daß alle diese Schätze 3 oder 4 || Tage vor Weihnachten sicher in meinen Besitz gelangt sind. Sie haben mich ganz unbändig mit der reichen Sendung erfreut, und ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken; – ich komme mir reicher vor wie die ganze Challenger Expedition! Gezittert habe ich als wir Nachricht bekamen daß eins der Hamburg Edinburgher Boote auf der Herreise bei Cuxhaven untergegangen – glücklicherweise ohne Menschenverlust, denn die Kiste war zu der Zeit grade unterwegs. – ||

Professor Wyville Thomson habe ich sein Exemplar Anthropogenie gesandt – er läßt lange auf sich warten mit seiner Publikation über die Expedition.

Die Nordpol Expeditions Sammlungen müssen Sie sich doch ansehen kommen! – wann? haben Sie keine Zeit nach Norden zu kommen, dann treffen wir uns in London. –

Nächstens werde ich Ihnen auch hoffentlich wieder einige interessante spiritualistische Gerichts Verhandlungen senden || koennen; – inzwischen haben Spiritisten Vereine in London an den Home Secretary petitionirt: der Anklage gegen Slade kein Gehör zu schenken!

– Für Ihre herzliche Gratulation zum Dritten seien Sie bestens bedankt, wie auch für die Photographie für Freund Neuhaus die ihn sehr, sehr erfreut hat. –

– Ueber meinen Korallen vergeße ich ganz den Glückwunsch zum neuen Jahre – ich wünsche Ihnen, Ihrer lieben Frau und den Kindern recht ungestörte || Gesundheit und Ihnen speciell so viele interessante Vorkommnisse dessen was da kreucht und fleucht daß Sie irgend etwas „challengen“ koennen. Ich bin mit 1876 sehr zufrieden und bewahre die Erinnerung an die Bekanntschaft mit Ihnen und die einzig schönen Tagen [!] unseres Zusammensein’s als eins meiner allerliebsten Andenken, welches freilich immer wieder den Wunsch rege werden läßt || öfter mit Ihnen Sie lieber, lieber Mensch zusammen sein zu koennen. –

Meine Frau erholt sich dieses mal sehr schnell und der Junge gedeiht bei einer Amme, die es mit jeder Kuh aufnimmt und auf eine nahe Verwandtschaft des Menschen mit dem Hornvieh schließen läßt. –

Meine Frau grüßt Sie und die Ihrigen bestens und ruft Ihnen gleichfalls ein || Glückauf ins neue Jahr zu. –

Nochmals herzlichsten Dank für Alles. –

Ihr

aufrichtig ergebener

Paul Rottenburg

 

Briefdaten

Empfänger
Datierung
02.01.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 20002
ID
20002