Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Skelmorlie, 4. Juli 1880

Skelmorlie Sonntag

4/7. 80.

Lieber Freund!

Ich trage einen lieben Brief von Ihnen bald 6 Monate unbeantwortet in der Tasche – habe Ihnen aber oft schon dafür in Gedanken gedankt und Ihrer viel gedacht. – (eine Alliteration, deren sich Wagner nicht zu schämen brauchte.)

Der letzte Winter hat uns viel Krankheit gebracht; unser Aeltester hatte Scharlachfieber in optima forma mit sehr krankem Hals, rheumatischem Gliederschwellen und Wassersucht und ist über fünf Monate von der Schule fort geblieben. Im Frühjahr ging meine Frau zur || Erholung und zum Besuch ihrer Eltern auf 4 Wochen nach Danzig und Ende Mai holte ich sie in Berlin ab und war dann nach kurzem Aufenthalt in Glasgow 2 Tage in Paris. Von Berlin aus hatte ich halb und halb vor, Sie in Jena auf einen Tag zu überfallen oder Ihnen zu telegraphiren, zur Fisch-Ausstellung hinüber zu kommen. Zeit und Geschäfte ließen aber weder das Eine noch das Andere zu. Um so mehr rechne ich auf den Herbst und Salzkammergut und hoffe nur, ich komme von der Kette los. –

Seit 10 Tagen sind wir hier || unten an der Küste in einer bei gutem Wetter sehr reizenden Wohnung. Skelmorlie ist der Platz, wo wir uns seinerzeit auf der Dampf Yacht des Herrn Duncan mit Cohnchen und dem Wurm-Professor aus Breslau einschifften und unser Haus liegt hoch am Berge mit herrlichster Aussicht auf die Mündung der Clyde, Arran, und Hochland. Wetter ließ aber seit unserem Hiersein viel zu wünschen übrig. –

Als Zoologe wird es Sie || interessiren zu hören, daß meine Gastrula endlich wieder in der Reihe ist. Was hat dem armen Thier geschadet. Der schottische Porridge, mit dem sich jeder Eingeborene jeden Morgen seine Gastrula ausschmiert. – Gehört aber dazu entschieden eine schottische Gastrula und die deutsche ist wenig anpassungsfähig. –

Der Doctor lachte mich zuerst aus. – Ich bin aber meiner Sache zu sicher und meine Frau machte dieselbe Erfahrung bei unserem Zweiten.

In letzter Woche ist auch endlich || der Umzug ins neue Haus von Statten gegangen. Sie werden lachen, wenn Sie hören daß aber trotzdem Handwerker und Maler noch vollauf zu thun haben und glauben, es ist ein Bau wie ein Labyrinth. Nichts von alle dem – klein und bescheiden im Vergleich zu Rosebank. Der englische Handwerker ist aber eine Kreuzung von einer Schnecke und einem Krebs. Von Berlin brachte ich mir ein Aquarium und lebende Makropoden mit, denen es in Glasgow sehr gut geht. || Holmhurst wird die reine zoologische Station werden und ich rechne darauf daß wir Sie und Ihre liebe Frau doch noch mal dort zu Gast haben werden. – Außer den Aquarien locke ich sie mit Kaffe á la Rosebank. –

Einige Lieferungen Ihres Medusenwerkes sah ich bei Murray – unsere Nairn’er Ausbeute war darin noch nicht verherrlicht. –

Einliegend einige Marken für meinen Freund Walter. Ihnen bin ich ernstlich böse, daß Sie nicht || mehr Marmelade consumiren. Ich würde mich aufrichtig, ganz ungeheuer, freuen wenn Sie mir mal auf einer Postkarte mittheilten: „Marmelade alle“ – Dem schottischen Frühstück substituierte ich Kaffe und Marmelade und fühle mich dabei bedeutend besser. –

Ihnen Allen geht es hoffentlich ganz nach Wunsch und grüßen wir Sie Alle viel vielmals. –

Einliegend Gastrulina Rottenburg, an deren Geburt || sie im vorigen Jahre so viel Antheil nahmen. –

Hoffentlich auf Wiedersehen in Tyrol.

Ihr treu ergebener

Paul Rottenburg

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
04.07.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 19997
ID
19997