Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Carl Humann, Jena, 8. November 1888

Jena 8. Novb 88.

Lieber Freund,

hochverehrter Königlich Preußischer Museums-Director in partibus infidelium und berühmter Pergamon-Entdecker!

Sie müssen mich für schändlich undankbar halten, daß ich Ihren freundlichen Neujahrsgruß (vom 8.Januar d.J.) bisher noch nicht beantwortet habe. Wenn Sie aber wüßten, wie geplagt ich seit der Rückkehr von Smyrna (April 87) mit dringlichen Arbeiten gewesen, würden Sie neben der gerechten Verzeihung für meine Unterlassungs-Sünden auch noch ein Quantum aufrichtigen Mitleids mit mir armen Scribifax empfunden haben! || Kaum hatte ich 1887 die große Monographie der Challenger-Radiolarien (– eine Arbeit von 10 Jahren, mit 2000 pag. Text und 140 Tafeln etc.) vollendet, so erhielt ich vom Challenger-Amte die Aufforderung, die begonnene Arbeit über Siphonophoren (– über welche Sie beifolgendes „System“ unterrichtet –) binnen Jahresfrist zu vollenden; andernfalls sie aufzugeben. Die Aufgabe war zwar sehr schwierig, aber so interessant u. anziehend, daß ich ihre Lösung doch unternahm. Alles Andere bei Seite lassend, arbeitete ich seitdem ununterbrochen, und so wurde ich denn wirklich im August d.J. (mit 50Tafeln und 400S. Text etc.) glücklich fertig! (In 11Monaten!). ||

Dann trat ich mit meiner Familie eine längere Erholungs-Reise (nach Tyrol u. Ober-Italien) an, von der ich kürzlich wohlbehalten u. neugestärkt zurückgekehrt bin!

– Den Winter werde ich nun mit Ordnung der Sammlungen etc verbringen, und im Frühjahr hoffe ich wieder nach Süden (wahrscheinlich Sardinien) zu gehen.

– Im Frühjahr las ich in den Zeitungen, daß Sie Ihre Expedition nach Mesopotamien etc angetreten hätten; hoffentlich sind Sie mit deren Erfolgen zufrieden, und mit Schätzen reichbeladen, an Gesundheit neu gestärkt, glücklich zurückgekehrt. ||

– Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich Ihnen in Smyrna versprochen, Ihnen irgend eines meiner Opuscula obscura zu schicken; ich weiß aber nicht mehr, was! Meine populären Schriften habe ich Ihnen wohl schon früher geschickt? Bitte mir Ihre Wünsche mitzuteilen! Von den Tafeln der Siphonophoren sende ich beifolgend einige disponible Doubletten, die Ihnen einen ungefähren Begriff von diesen reizenden Ungeheuern geben! –

Unsern lieben Freund Remy nebst Gemahlin bitte ich freundlichst zu grüßen, ebenso die Herren Heintze, Cramer etc. Vor Allem aber seien Sie selbst u. Ihre liebe Frau herzlich gegrüßt von Ihrem getreuen

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.11.1888
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Archiv des Deutschen Archäologischen Instituts, Berlin-Dahlem
Signatur
NL Carl Humann
ID
19276