Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 28. April 1900

Bremen, 28. April 1900.

Lieber Freund!

Also nach dem südasiatischen Inselreiche soll die Reise gehen! Es freut mich, daß Du Muth und Lust zu einem solchen Unternehmen hast. Auf meine Anfrage beim Lloyd erhielt ich die Antwort, daß die Direktion Dir bereits in Veranlassung eines Antrages von Consul Smidt Vorschläge gemacht habe. Die Leiter der Lloyd haben ihr Amt zur Erfüllung bestimmter Aufgaben übernommen, und zu diesen Aufgaben gehört die Förderung der Wissenschaft durchaus nicht. An dieser Auffassung würde aucha persönliches wissenschaftliches Interesse, selbst wenn es vorhanden wäre, wenig ändern. Dagegen wird || man den Schriftsteller E. H. gern entgegenkommen. Wenn Du Reiseberichte an angesehene und verbreitete Zeitungen schickst, so nimmt man an, daß Du über die Dampfergesellschaft Günstiges zu erzählen weißt. Reklame ist nun einmal für jedes Geschäft eine notwendige Sache und für Reklamezwecke sind die großen Gesellschaften gewohnt, bedeutende Aufwendungen zu machen. Also a conto Wissenschaft ist schwerlich etwas zu erlangen, aber wohl a conto Reklame.

Eine eigene Kabine wird man Dir schwerlich versprechen, weil man sich nicht der Möglichkeit aussetzen will, einen Reisenden abweisen zu müssen, wenn noch ein Platz vorhanden ist. August und September sind wegen der Hitze im Rothen Meer keine beliebten Reisemonate, so daß vermutlich Platz genug vorhanden sein wird. Dann pflegt es nicht || schwer zu sein, eine Kabine allein zu bekommen. Wie ich höre, kommen die beiden Schiffe Bayern und Sachsen für die beiden Monate in Frage; es sind beides gute erstklassige Schiffe, aber schon etwas älter und nicht ganz gleichstehend mit den neuesten Booten derselben Linie. Im letzten Winter ist mein Sohn mit der Bayern von China gekommen. Die Lloyd hat außerdem eine langsamere und billigere Linie nach China mit guten neuen Schiffen, die aber vorzugsweise dem Frachtverkehr dienen.

Bei Antritt der Reise wird es leicht möglich sein, Dich von einflußreicher Seite den Schiffsoffizieren empfehlen zu lassen. Das ist ungemein wirksam. Der Lloyd-Vertreter in Genua ist mein alter Schulkamerad, mit dem ich immer noch in gelegentlichen Beziehungen stehe.

Hoffentlich verscheucht der nahende Frühling die Influenzafolgen bei Dir und den Deinigen. || In meiner allmählich zahlreich herangewachsenen Familie ist allerlei Krankheit vorgekommen, die glücklicherweise nichts besonders Schweres, wenn auch meine Frau und eine Tochter lange ans Haus gefesselt waren.

Bei meiner sehr zersplitterten Zeit bin ich noch nicht dazu gekommen, Dir für das IV Heft der Kunstformen meinen herzlichen Dank zu sagen; ich hatte es zurückgelegt zu genauerer Betrachtung, nach der ich Dir schreiben wollte – aber schließlich sind Tage und Wochen darüber vergangen.

Heute habe ich Abdrücke einer kleinen botanischen Notiz erhalten, der ersten, die ich seit längerer Zelt wieder veröffentlicht habe.

Willst Du Fahrpläne und Tarife der holländischen Dampferverbindungen im Sunda-Archipel haben? Meines Sohnes Firma hat in Hongkong die Agentur für die holländische Gesellschaft.

Mit der Bitte, mich Deiner Frau bestens zu empfehlen

in alter Freundschaft

Dein

W. O. Focke

a korr. aus: selbst

Brief Metadaten

ID
1877
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.04.1900
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1877
Zitiervorlage
Focke, Wilhelm Olbers an Haeckel, Ernst; Bremen; 28.04.1900; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1877