Wilhelm Olbers Focke an Ernst Haeckel, Bremen, 4. Oktober 1867

Bremen, 4 Octob. 1867

Mein alter Freund!

Mit diesen Zeilen sende ich Dir einen herzlichen Gruß durch einen jungen Landsmann, Hamens Lürssen, von dem ich Dir, glaube ich, bereits geschrieben habe. Er war bis vor einem Jahre Lehrer an einer Volksschule, zeichnete sich aber durch sein ernstes Streben und seinen regen Eifer für die Naturwissenschaften so aus, daß es ihm möglich gemacht wurde zwei Jahre zu studiren um sich dadurch die Befähigung zum Unterrichten an höheren Lehranstalten zu erwerben. Er ist seit einem Jahr in Jena, sein reger Eifer, verbunden mit einem einfachen, bescheidenen Wesen, wird ihm bereits viele Freunde gewonnen haben. Wenn auch die Zoologie nicht sein Specialfach ist, wirst Du an ihm gewiß einen lernbegierigen Schüler finden.

Du wirst Dir jetzt wieder eine freundliche Häuslichkeit gegründet haben und wünsche ich Dir von Herzen Glück dazu. Deine Braut, jetzt hoffentlich Frau, ist hier verschiedentlich bekannt und habe ich mich gefreut || zu hören, daß Deine Wahl übereinstimmend als eine sehr glückliche bezeichnet wurde.

Von meiner Krankheit bin ich im Wesentlichen hergestellt, doch kehren die Kräfte recht langsam wieder, so daß ich im Ganzen wohl ein Jahr vom Anfang meiner Krankheit bis zu meiner völligen Genesung rechnen muß. Seit einiger Zeit bin ich zwar wieder in Function an der Krankenanstalt, beabsichtige aber meine Stelle niederzulegen, vorzüglich wegen der Liebenswürdigkeit der ziemlich mittelalterlich zusammengesetzten Verwaltungsbehörde, die mir nicht einmal den Urlaub bewilligen zu können glaubt, welchen mir meine Collegen Behufs meiner völligen Herstellung verordnet haben. Im Dienste der Anstalt und durch Infection auf dem Krankenhause bin ich schwer erkrankt, ein Umstand, der doch wohl einige Berücksichtigung verdient hätte. Bei der Wohnungstheuerung muß ich mich nun etwas kleiner einrichten und werde namentlich meinen Garten entbehren. Für meine botanischena Culturversuche denke ich mir ein geeignetes Fleckchen Land anderwärts zu requiriren b, wenn auch entfernt von meiner Wohnung.

Die Praxis in der Stadt wird sich bei der großen Concurrenz nicht eben schnell einfinden, ein Umstand, der || dazu beitragen wird mir die nöthige Erholung so wie einige Muße zum Nachholen von Arbeiten die ich bis her liegen lassen mußte, zu gewähren. –

Seit ich Dir vor einigen Monaten gelegentlich Deiner Verlobung schrieb, habe ich einen Theil meiner Zeit in dolce far niente, einen andern in alltäglichen Geschäften verlebt; an größeren Reisen und Arbeiten haben mich theils mein Kräftezustand, theils Frau und Kind verhindert. Nun lebe wohl, mein alter Freund, laß mich bald Gutes von Dir hören und gedenke zuweilen

Deines

W. O. Focke

a eingef. mit Einfügungszeichen: botanischen; b gestr.: suchen

Brief Metadaten

ID
1841
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Freie Hansestadt Bremen
Datierung
04.10.1867
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,3 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1841
Zitiervorlage
Focke, Wilhelm Olbers an Haeckel, Ernst; Bremen; 04.10.1867; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1841