Julius Schaxel an Ernst Haeckel, Palma de Mallorca, 10. Juni 1913

DR. JULIUS SCHAXEL Palma de Mallorca, DEN 10ten Juni 1913.

Sehr verehrter Herr Geheimrat,

Herzlichen Dank für Ihren liebenswürdigen Brief und den Aufsatz über die Metaptosen, der mich nicht wenig überrascht hat. Ich sehe es als ein günstiges Zeichen für Ihr Befinden an, daß Sie sich mit den modernsten Problemen befassen. Als ungleichwertige Gegengabe erlaube ich mir meinen jüngst erschienenen Berliner Vortrag über die Vererbung erworbener Eigenschaften vorzulegen, in dem Sie freilich wenig Originelles finden werden.

–––––

Wir sind jetzt schon seit acht Wochen auf spanischem Boden und mit dem ruhigen Leben auf der stillen und vergessenen Insel recht zufrieden. Meine Versuche, an deren Ergebnisse ich eine Kritik des Vitalismus (Driesch) knüpfen will, gehen ganz gut vonstatten. Sonst ist die zoologische Ausbeute deshalb nicht groß, weil es an einem geschulten Fischerpersonal fehlt. Ich glaube, daß sich in diesem noch fast gar nicht durchforschten Teil des Mittelmeeres manches Interessante finden ließe, wenn einem bessere Hilfsmittel zur Verfügung stünden, vorallem auch ein brauchbares Fahrzeug. Mit dem alten Segelboot der Station muß man sich elend abquälen ohne viel zu erreichen. Landeinwärts haben wir einige schöne Ausflüge gemacht, besonders in die malerische Sierra.||

Auch der Erzherzog Ludwig Salvator in Miramar wurde besucht. Er hat uns eingeladen in Valldemosa, einem lieblichen Dorf im Gebirge, in einem ihm gehörigen Haus nach Belieben zu wohnen. Ich habe aber noch keine Zeit gefunden mich längere Zeit von der Küste zu entfernen. Von einigen Besonderheiten dieses merkwürdigen Fürsten wird besser mündlich zu erzählen sein.

Unsere Bekanntschaften mit den Spaniern a sind mir von großem psychologischen Interesse. Die b sonderbare Mischung von Stolz und Liebenswürdigkeit, man kann auch sagen Stumpfsinn und Leidenschaftlichkeit ergibt allerhand Situationen, in die man sich erst nach einiger Übung findet. Übrigens haben [wir] nirgends so viel Gastfreundschaft gefunden wie hier, wo der Fremde noch als Kuriosität angesehen wird.

Auch die spanischen Spezialitäten: Hahnenkämpfe und Corridas de toros versäumen wir nicht zu besuchen. Die oft gerügten Grausamkeiten sind nicht so schlimm und unser deutsches Mensurwesen oder gar die englischen Boxkämpfe offenbaren mindestens ebensoviel Roheiten.

Noch eine Anekdote: Ich hatte eine Fischgräte verschluckt und mußte einen Arzt aufsuchen. Nach der gelungenen Operation erzählte ich, daß ich Ihr Schüler wäre. Daraufhin lehnte er jedes Honorar mit den Worten ab, daß es für ihn Ehre genug sei einen Schüler Haeckels kuriren zu dürfen!!

Mit der Bitte uns Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen grüßen wir Sie herzlichst.

Ihr Jul. Schaxel.

a gestr.: wer; b gestr.: snod

Brief Metadaten

ID
18400
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Palma de Mallorca
Entstehungsland aktuell
Spanien
Entstehungsland zeitgenössisch
Spanien
Datierung
10.06.1913
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
28,6 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 18400
Zitiervorlage
Schaxel, Julius an Haeckel, Ernst; Palma de Mallorca; 10.06.1913; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_18400