Julius Schaxel an Ernst Haeckel, Jena, 17. Mai 1909.

Jena, am 17ten Mai 1909.

(Jenergasse 12)

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Ich möchte Ihnen nur kurz berichten, wie mir der neue Kurs in der hiesigen Zoologie erscheint, weil ich glaube Ihnen Beruhigendes mitteilen zu können, so daß Sie sich ohne besondere Sorge um diese Dinge a der Erholung hingeben mögen.

Prof. Plate wirtschaftet in der ihm nun einmal eigenen Weise weiter und vorläufig || ist seine brusque Art kaum jemand sympathisch. Es herrscht daher, wie das im kleinen Jena zu gehen pflegt unter Dozenten, Studenten und Institutsdienern ein riesiger Klatsch, der wie ein gigantisches Rhizopodium sich überallhin verzweigt. Aber darauf ist wohl nichts zu geben. Es kann ja sein, daß sich dieser kritische Zustand noch einmal durch einen großen Krach löst – doch vor-||läufig kann man nichts tun, als die Entwicklung der Geschichte ruhig abwarten. Ich selber habe mit Plate bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht, indem er allen meinen Wünschenb nachgekommen ist. Seit heute arbeite ich (als einziger) auch im phyl. Museum und zwar in dem sogenannten Assistentenzimmer. Die Einrichtung ist nur provisorisch, weil die eigentliche Anlage immer noch nicht fertig ist. Der gute Pohle ist in einen wahren Wahn von Wut verfallen, was aber wohl nicht || sehr ernst zu nehmen ist. Also alles in allem liegen die Dinge so, daß Sie ganz beruhigt sein dürfen. Wenn Sie in einigen Wochen wiederkommen, werden sich einige kleine Schwierigkeiten leicht lösen lassen. Hinter Plate’s etwas megalomanischem Ton scheint eine imgrunde harmlose Natur zu stecken, die zu bändigen Ihnen nach dem Verstreichen der ersten Stürme ein Leichtes sein wird.

Zu meiner Freude erfahre ich || durch Frl. Holgers, daß Sie sich bereits besser befinden.

Mir selber ist naturgemäß (nach den Münchner Ereignissen) etwas einsam zu mut; aber ich habe so viel zu tun, daß ich darüber nachzusinnen kaum Zeit habe.

Gestatten Sie Ihrem treuen Schüler den c bescheidenen Rat sich so wenig wie möglich um die hiesigen Dinge zu kümmern!

Mit den ergebensten Grüßen

Ihr dankbarer

Julius Schaxel.

a gestr.: sich; b korr. aus: Wüschen; c gestr.: dankbar

Brief Metadaten

ID
18370
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
17.05.1909
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
5
Umfang Blätter
4
Format
14,8 x 19 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 18370
Zitiervorlage
Schaxel, Julius an Haeckel, Ernst; Jena; 17.05.1909; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_18370