Julius Schaxel an Ernst Haeckel, München, 02. April 1909

München, am 2ten April 1909.

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Herzlichen Dank für Ihrena ausführlichen Brief. Ich hoffe sehr, daß die bessere Jahreszeit und die vollkommene Ruhe Ihre gesundheitlichen Verhältnisse bessernd beeinflussen mögen. Die Mitteilung über das phyl. Museum hat mich natürlich nicht wenig betrübt; denn der Ausfall des phyl. Laboratoriums macht mich wissenschaftlich sozusagen heimatlos. || Ich habe außer Ihnen niemand, dem ich meine Pläne zur Prüfung vorlegen könnte. Nehmen Sie mir daher die folgende kleine Vorlage nicht übel.

Ich habe mich trotz der zunächst weniger günstigen Verhältnisse doch entschlossen (nach reiflicher Überlegung) in Jena zu promoviren. Meine nächste Tätigkeit in Jenab besteht im Anfertigen der Zeichnungen zu meiner Arbeit, die ich eben – faute de mieux – in Prof. Zieglers Labo-||ratorium oder vielleicht im Bibliothekzimmer des Instituts oder gar (wenn auch des Lichtes wegen nicht gut) in meiner Wohnung besorgen kann.

c Außerdem wird das SommerSemester für mich auch eine Probe sein, ob ich Gnade vor den Augen Prof. Plates finde und – wenn das der Fall sein sollte – ob d Aussicht besteht, daß ich mich später (nach 2 Jahren) habilitiree in Jena (mein inniger Wunsch!). Ist Wahrscheinlichkeit hiefür vorhanden, so würde ich mich um f irgend eine Stelle || als Assistent bewerben, wobei mir weniger an der Dotirung (oder schließlich auch gar nichts) als sozusagen an „der moralischen Rechtfertigung“ des Aufenthalts in Jena läge. Ein kleines einfaches Laboratorium könnte ich mir vielleicht dadurch schaffen, daß ich selbst einen mir zur Verfügung gestellten Raum (ich brauche nicht mehr als ein Fensterg und deine erreichbare Gas- und Wasserleitung) mit den mir nötigen Apparaten ausstatten || würde. –

Mir ist nichts unleidlicher und entmutigender als dieses ungewisse in der Luft schweben. Ich könnte ja z. B. hier eine dotirte Stelle bekommen – doch nur für eine gewisse Zeit, so daß ich dann vonneuem auf die Suche gehen könnte.

Daher scheint es mir zweckmäßiger mich irgendwo und amliebsten in Jena festzusetzen wenn auch ohne Dotirung und in einem wenig komfortablen Laboratorium.

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Verzeihen Sie die Umstände, || die ich Ihnen mit meinem Kram bereite. Vielleicht geht es an, daß ich noch vor Ihrer Abreise nach Jena komme und wir die Sache mündlich besprechen können.

Wie immer in treuer Dankbarkeit

Ihr Schüler

Julius Schaxel

a irrtüml.: Ihrer; b eingef.: in Jena; c gestr.: Ich; d gestr.: ich; e korr. aus: habitilire; f gestr.: eine; g korr. aus: Fester

Brief Metadaten

ID
18368
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
02.04.1909
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
4
Format
14,8 x 19 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 18368
Zitiervorlage
Schaxel, Julius an Haeckel, Ernst; München; 02.04.1909; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_18368