Weimar d. 15. Dez. 1911.
Hochverehrter Herr Prof. Haeckel!
Trotzdem Sie meinem Wunsche nicht entsprechen können, danke ich Ihnen dennoch für Ihren freundlichen Brief & tut es mir sehr leid, daß Sie sich in Ihrem leidenden Zustand die Mühe machen, so viel Zeilen zu schreiben. Einige kurze Worte hätten vollständig genügt!
Sie müssen einen ‚Heidenrespekt‘ vor dem Portraitsitzen haben! Es scheint, daß man Sie beinahe gefoltert hat? Nein, eine solche Pein erspar ich Ihnen! Ich werde aber dennoch || einen Versuch machen, wenn ich diesen Winter dazu komme, eine Büste im besagten Sinne zu entwerfen, an Hand von neuesten Photos, d. h. ich wünsche mir von diesem Jahr, wenn es möglich ist.
Das Relief von Kopf ist mir zu „fromm“, verklärt. Damit will ich demselben den idealen Werth nicht absprechen! Ich sehe Sie anders: urwüchsiger, natürlicher & eine gewisse Verklärung will ich dann ersetzen durch vergleichende Attribute & Stellung. Zur Darstellung einer Persönlichkeit von Weltruf wie Sie genügt eine Büste allein nicht! Ein König zu Fuß & ein König zu Pferd: welche Unterschiede in der Wirkung! & Darstellung. Dies nur als Beispiel meiner künstlerischen Anschauung. ||
Ich habe an Sie nur eine Bitte, daß Sie mir erlauben, wie bisher, Sie gelegentlich zu besuchen, und seien es nur 5 Minuten!
In dieser Hoffnung empfangen Sie meine besten Grüße, Glück & Gesundheitswünsche!!
Baldiges Wiedersehen.
Ihr ergebener Fr. Schaufenbühl
Epilog.
– – –
„Als vergleichender Antropolog –
– als größter Naturphilosoph –
stehen Sie der Welt & Menschheit gegenüber –
und:
als solcher will ich Sie auch dargestellt sehen,
den zukünftigen Generationen
echt & lebendig überliefert zu werdena,
im Sinne eines Propheten.“
Amen
a korr. aus: sehen