Verworn, Max

Max Verworn an Ernst Haeckel, Jena, 7. Oktober 1895

Jena 7. Oct. 95.

Sehr verehrter Herr Professor!

Da ich Sie nicht mehr persönlich sehen konnte, muss ich Ihnen auf diesem Wege unseren herzlichsten Dank aussprechen für das schöne Hochzeitsgeschenk, das wir am Sonnabend von Ihnen erhielten. Es füllt eine stets empfundene Lücke in der schönsten Weise aus und meine Frau ist ganz entzückt über diese neue Bereicherung unserer Wirthschaft. ||

Gestern als meine Frau ihren ersten Afternoon-tea-Besuch hatte ist der neue Ofenschirm auch gleich gewürdigt worden. Was mir leid thut, ist nur, dass Sie so viel Mühe und Umstände mit dem Geschenk gehabt haben.

Hoffentlich haben Sie die unangenehme Reise recht gut überstanden und fühlen sich recht wohl in dem herrlichen Schwarzwaldstädtchen. Das Wetter scheint sich ja glücklicherweise nocheinmal wieder grossmüthig zu zeigen, wenigstens ist heute hier ein prächtiger Tag und meine Frau bekommt || wieder Malgelüste.

Vor einigen Tagen ist mir die Mitgliedschaft der Moskauer Akademie angeboten worden. Das wäre an sich ja ganz schön, aber der metallische Beigeschmack daran ist weniger sympathisch. Da ich Sie auch unter den Mitgliedern sehe, werden Sie ja wissen, dass das Vergnügen ziemlich theuer ist und ich weiss noch gar nicht recht, ob ich annehmen soll.

Gestern war Prinz Ernst von Meiningen mit seiner Frau auf einen Tag hier und besuchte uns. Sie sind alle im vorigen || Monat in Prien am Chiemsee gewesen, wo sie den 50ten Geburtstag von Frau Jensen gefeiert haben. Jensen selbst, d. h. der junge, sieht sich noch immer vergebens nach einem ruhigen Ort zur Habilitation um. Am liebsten würde er hier niederkommen, aber es ist ja nicht abzusehen, wie lange ich noch hier bleiben werde. In Strassburg findet er nach Hoppe-Seylers Tode so sehr wenig Anregung, da Goltz so sehr in seine Gehirn-Fragen vertieft ist, dass er wenig andere Interessen hat, und da Ewald in Jensen nur einen Nebenbuhler sieht, gegen den er intriguieren muss.

Indem ich hoffe, dass Sie noch recht schöne Tage in Baden haben möchten und Sie bitte uns beide Ihrer verehrten Frau Gemahlin zu empfehlen bleibe ich nochmals mit herzlichem Dank immer

Ihr treuer Verworn.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.10.1895
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 17424
ID
17424