Weiß, Ernst

Ernst Weiß an Ernst Haeckel, Merseburg, 27. März 1854

Merseburg d. 27. März 54.

1854

Mein lieber Häckel!

In der Hoffnung, daß dieser Brief Dich in Würzburg antreffen wird, wage ich es, an Dich zu schreiben, zumal da ich von der Freude des mulus-Seins jetzt erfüllt bin u. so, daß ich Dir ein klein wenig oder ein groß wenig davon zu erkennen geben muß. Vergangenen Freitag von früh 8–12 ¼ Uhr dauerte das Examen und ist so weit glücklich gediehen. Zuweilen rasend schnell, dann langsam, dann verplüft [!], dann Naserümpfen, dann ….., dann endlich durch, dann ein Sprung oder einige bis an das Himmelsgewölbe des 7. türkischen Himmels, u. was dergleichen einzelne Dinge mehr sein mögen, wie Du sie ja selbst aus eigener Erfahrung, Praxis u. Übung kennen gelernt, ausgeführt u. gethan hast. Dieses könnte also zu trivial, zu gewöhnlich u. s. w. erscheinen, wollte ich das im Einzelnen u. Besondern, wie auch im Allgemeinen u. Ganzen ausführen u. vorführen. || Freitag Nachmittag kam ich in Schkeuditz an, trank Abends mit meinem Bruder eine Flasche Ungarwein (hier Ideenassociationen zu machen, wie sie natürlich sind, überlasse ich Dir) u. ruhte auf meinen Lorbeeren aus. Gestern, Sonntag, reiste ich, bestelltermaßen, nach Halle, um Hetzer und Weber, die sich einfinden wollten, zu besuchen etc. – doch! doch! wer nicht da war, war Weber, u. wer wieder fort war, war Hetzer! Beide verdienen doch wohl, geknieerpelt [!] zu werden, oder umgekrempelt wenigstens. – Nun in Halle umher gebummelt, Wohnung gemiethet (Gartengasse 1379), Index geholta, bei Finsterbusch gewest u. geschlafen, heute Morgen rübergefahren nach Merseburg, Emil durchgeprügelt, sitzend in der Stube zur Rechten des Hauses Osterwald, von dannen ich schreibe an Häckel in Würzburg. Dazu hat man noch erfahren, daß mit der Entlassung wahrscheinlich wieder gebummelt werden wird, daß man sich also längere Zeit wird hier langweilen müssen. Man sinnt auf Mittel dagegen, z. B. nach der Scilla bifolia reisen, doch das Wetter scheint wieder umzuschlagen. Hier || kann man ja nichts Ordentliches anfangen; werde daher mich nächstens wieder drücken.

An Skositz, Heusammeln etc. denkt man auch wieder, doch davon später. Überhaupt bitte ich Dich, diesmal nicht übel zu nehmen, wenn ich nur sehr kurz bin; ein andermal mehr, wenn ich erst in Halle ruhig sitze.

Solltest Du, worum ich Dich sehr bitte, bald an mich schreiben, es müßte denn ein Brief von Dir noch diese Woche hier in Merseburg ankommen können, der mich dann hier träfe, doch das ist wohl kaum möglich,b so schicke den Brief nur jedenfalls nach „Schkeuditz bei Leipzig an den Diaconicus Weiß“, der ihn mir zusenden wird. Für später habe ich Dir meine Adresse schon angegeben.

Also leb’ wohl; schreib, bitte, bald.

Bis dahin

Dein treuer Freund

Weiß.

mulus olim pennalum

Deine lateinischen Arbeiten sollst Du bei der ersten Sendung erhalten.

a eingef.: Index geholt; b mit Einfügungszeichen eingef.: es müßte … kaum möglich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.03.1854
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 16632
ID
16632