Weiß, Ernst

Ernst Weiß an Ernst Haeckel, Merseburg, 28. Februar 1853

Merseburg, d. 28sten Febr. 1853.

Mein lieber Häckel!

Den herzlichsten Dank für Deine mitempfindende Gesinnung und den herzlichen Trost, wie Du ihn in Deinem letzten, sehr lieben Briefe aussprichst. Obwohl ich mir ganz dasselbe sage, so fühle ich dennoch von Tage zu Tage mehr, wie groß jener Verlust ist, den ich und unsre ganze Familie erlitten: Gott gebe, daß nicht neue Verluste hinzukommen, sondern daß sich uns ein neuer Mittelpunkt, statt des gestörten, bilde! Leider fürchte ich, daß keiner seiner Brüder jenes Alter erreichen wird (78 Jahr), das dieser Onkel hatte. – Doch ich will nicht vor Dir klagen, sondern mit so freudigen Hoffnungen, als möglich, in das Zukünftige blicken. – Wenn ich das wirklich furchtbare Leiden der letzten Zeit meines armen Onkels in das Gedächtniß rufe – u. dann seinen höchst sanften, schmerzlosen Tod, so kann ich auch jetzt, wie damals, als wir um sein Sterbelager standen, nur Gott danken, daß er a ihm ein solches Ende gegeben hatte. Mit meinen Gedanken und Aussichten in die Zukunft will ich Dich nicht quälen; es hilft doch zu nichts: im Ganzen sind sie dieselben, wie früher, d. h. keine. – – Doch nimm mir’s nicht übel, daß ich so melancholisch schreibe und mache Dir kein zu schreckliches Bild von mir. Es sind Augenblicke, die vergehen; im Ganzen bin ich es jetzt weit weniger als vor ein paar Monaten. Laß mich vielmehr nun den herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief und Deine Sendung aussprechen; Du hast mich noch nie so erfreut, als diesmal, u. ich fürchte ordentlich, wenn das sich so steigert, so muß ich noch zuletzt ganz zerfließen und zerschmelzen vor Entzücken und Freude. Es ist daher gut, daß Du zu Ostern selbst kommst und dies Zerfließen nöthigen Falls selbst hindern kannst. À propos, schreibe doch, bevor Du nach Halle kommst; wenn es mir möglich ist, werde ich mich wieder dort einstellen, um eine 2teb freie Nacht dort zu machen und wo möglich noch einen Tag mit Dir, Weber und Hetzer zu bummeln, den 19ten wahrscheinlich ist unser Examen; wird also Eure Würzburger Bude den 19 zugeklappt, so paßt es für mich am besten, weniger freilich für Weber und Hetzer, die dann schon Ferien haben, aber jedenfalls, wenn sie es zeitig genug erfahren, in Halle erscheinen werden. Ebenso möchte ich vor den Ferien erfahren, wann Du nach Merseburg kommen willst, da ich nicht die ganzen Ferien hierzubleiben beabsichtige. Doch das weißt Du vielleicht schon, wenn Du nach Halle kommst.

Daß Weber nicht nach Jena geht, dazu läßt sich freilich nicht viel sagen; er hofft auf ein Stipendium, und außerdem ist in Jena doch wohl das Stunden der Collegien nicht Mode. – – Nun aber zur speziellen Beantwortung Deines Briefes; ich will gleich von vorn anfangen. Ad No 1. Du scheinst in Würzburg ein förmlicher Philosoph geworden zu sein (vergleiche das Sprichwort: parere facilius quam imperare). Darum möchte ich Dich wohl beneiden; denn mit der Philosophie habe ich noch wenig zu thun gehabt, wenn ich nicht etwa die 2 Stunden philosophisches Propädeutikum, die wir neulich bei Osterwald hatten, mitrechnen will, in welchen ich aber blutwenig profitirt habe, z. B. obgleich von „Logik“ die Rede war, so habe ich doch noch keine Idee davon. Aber ich wollte ja auf Deinen Brief antworten und komme, freilich mittelst einer einfachen Ideen-Association, in’s Schwafeln. (Ich bitte zu bemerken, daß dies kein Witz ist, denn dieses ist, wie uns explicirt wurde: „die schnelle und überraschende Vereinigung von Gegensätzen“, Gegensätze aber sind hier, meines Wissens, nicht vorhanden, folglich auch nicht vereinigt. c Ein Witz wäre z. B. folgendes: „Nicht der Überzieher macht den Mann, sondern die Überzeugung.“) – Aber um fortzufahren, wo ich stehen geblieben bin – ja wo war das? Ja so, also hier. Da sehe ich z. B. einen 2ten höchst philosophischen Gedanken: „der Wunsch von einem Besitzthum ist immer viel intensiver als die Freude über den Besitz selbst.“ Doch dieses Kapitel wollen wir schließen, ich komme zu schlecht weg; denn ich muß immer Fremdes anführen, da ich selbst so etwas nicht produciren kann. Außerdem hast Du Recht, also muß ich schon nothgedrungen schweichen. – Rrrr – ein ander Bild. Doch dieses muß in Klammern geschrieben werden, da auch Du es thust, also: [ – Von wegen das Frankirens kann ich Deiner Bitte unmöglich willfahren (noch weniger Deinem Befehl). Deine Würde ist zwar allerdings sehr groß (das macht schon die Philosophie), doch die meine macht sich nicht weniger breit und diese befiehlt mir, || meine Sendung nicht zu frankiren –. Wie kommen wir hier nun auseinander? – – Ich bilde mir ein, das Nächste ist ein fürtrefflicher Gedanke. Du erhältst die Sendung unfrankirt, aber inliegend das Porto im Betrag von 18 xr = 5 sgl. 1 5/7 d. So kommen wir beide am besten weg. Das preußische Geld kannst Du später los werden. Sed haec hactenus, sagen wir beide!] Die Fortsetzung über Kryptogamen, im Besondern Moose, kann diesmal nicht groß werden. Neue Moose habe ich seit länger nicht gefunden, woran theils das Wetter (seit 3 Wochen tiefer Schnee) Schuld ist, theils auch die Merseburger Gegend, die weder für Phanerogamen, noch für Kryptogamen eine Ausbeute darbietet. Viele unfruchtbare Moose, – viele Hypnen, mit denen ich d nicht zu Stande komme, sonst äußerst wenig. Vor der Hand habe ich noch ein paar unbestimmte Moose daliegen; das eine scheint mir Grimmia pulvinata zu sein; es gleicht aber sehr der Dir zugeschickten „Anacalypta e lanceolata“, ja so sehr, daß ich jene Anacalypta jetzt durchaus für nichts anderes als Grimmia pulvinata halte, nur für Exemplare ausf einer sehr späten Periode, wo der gebogene Fruchtstiel verdorrt und gerade geworden ist. Als ich später neue Exemplare von demselben Standorte, woher ich die Dir Geschickten hatte, holen wollte, fand ich die neuen (unreifen)g Früchte bereits auf übergebogenen Fruchtstielen. Es wäre mir lieb gewesen zu sehen, was Du für Grimmia pulvinata bestimmt hast, und ob dies wohl eine andere Pflanze als die meinige ist. Überhaupt schlage ich vor, wenn wir uns später Moose zusenden, auch die allergemeinsten mit einzupacken, nur damit der Andre weiß, welche Pflanzen jener unter dem und dem Namen versteht und so mehr Sicherheit ins Bestimmen zu bringen, indem er alsdann (wenn er anderer Meinung ist) das Nöthige berichtigen kann. So hatte ich hauptsächlich meinen im letzten Briefe Dir gemachten Vorschlag verstanden; vielleicht findest Du ihn nicht ganz ohne. – Ein anderes Moos, das ich noch nicht heraus bekommen habe, ist nach Wagner’s Moosen folgendem sehr ähnlich, so daß ich es für dasselbe halten möchte: nämlich Grimmia apocarpa Hedw.h, = Grimmia polyodon Ehrh., = Grimmia fusca Br.i, Grimmia robusta B., Grimmia apocantos Fl. Franc., Grimmia fasciculata Brid., Grimmia Torreyana Brid., – Dicranum phascoïdeum P. B., – Bryum apocarpum L., – Fontinalis apocarpa L. jun. – Trotz dieser Unmasse von Synonymen finde ich doch keinen einzigen im Rabenhorst erwähnt. –

Von einem 2ten Moose, das sehr gemein ist in allen Wäldern, Gebüschen und Hecken, und das meinem undulatum (nach Wagner) am ähnlichsten sieht, fand ich nach vielerlei Suchen etwa 4 noch wenig entwickelte Früchte, konnte aber bis jetzt auch noch nichts herausbekommen. Ich werde Dir etwas von diesen Räthseln zuschicken. – Fissidens taxifolius bestimmte ich hauptsächlich deswegen als adiantoïdes, weil dieses gemeiner sein soll, doch bin ich mit diesem Tausche wohl zufrieden. Orthotrichum speciosum ist hier häufig (soll nach Rabenhorst gemein sein), doch steht es meist unter einem andern, ihm ähnlichen, kleineren Moose, das ich noch nicht genau kenne. – Mit Polytrichum aloïdes habe ich viele Mühe gehabt und kannj auch jetzt die Richtigkeit nicht genau entscheiden, weil ich es noch an keinem Standort in der Nähe gefunden habe, also auch keine weiter entwickelten Früchte auftreiben konnte. Climacium dendroïdes habe ich allerding häufig (besonders bei Schkeuditz) gefunden, es ist gar nicht zu verwechseln; ich habe es aber deshalb noch nie eingelegt, weil ich erstk gern Früchte finden möchte (die freilich selten sind). – Merkwürdiger Weise habe ich noch nicht ein einziges Lebermoos mit Früchten gefunden, es war mir daher um so mehr lieb, einige derartige Pflanzen durch Dich kennen zu lernen, weshalb ich Dir meinen schönsten Dank sage. Das Bestimmen der Moose macht sehr viel Vergnügen, so schwierig es ist. –

Was Du mir über Steudner schreibst, hat mich höchlichst gefreut. Daß er Recht hat, wenn er Dir den Rabenhorst nicht, wohl aber Müller, Kützing u. s. w. empfiehlt, kann ich mir denken. Wenn nur das liebe Geld nicht wäre, so würde ich auch seinen Rath befolgen; aber so – geht’s, wie mit Vielem, das man unterlassen muß. Derselbe Grund ist es, der mich nöthigt, das Mikroskop zu lassen, wie es ist. Denn sowohl die Anbringung einer Mikrometerschraube, so einfach sie construirt werden könnte, würde zu viel Geld kosten, als die Sache dann werth ist; als auch der Versuch, die Wirkung des Mikroskops durch eine 4te Objektivlinse zu erhöhen, an dem Preise gescheitert ist (Mechanikus Schmidt in Halle will 4 rl dafür, da er behauptet, ein neues Linsensystem einführen zu müssen). – Den Umstand, daß unser Mikroskop so schmierige Bilder giebt, erkläre ich mir (wenigstens theilweise) dadurch, daß es nicht genug vergrößert, also z. B. die Zellmembranen meist nur als einfacher (dicker) Strich erscheinen, weil die Grenzen der Membran selbst nicht genug auseinander treten. Könnte man die Vergrößerung verstärken, so glaube ich, daß dieser Übelstand (wenigstens in bemerklichem Grade) sich heben ließe; – wie ich Dir sogleich erzählen werde. Ich hatte die Absicht gehabt, Dir einige Objekte, von mir präparirt, zu Deinem Geburtstage zu schenken; da sind mir aber, wie Du schon weißt, manche Striche durch die Rechnung gemacht worden. || Zuerst mußte ich es aus mir selbst (mit Balsam) zu lernen suchen. Dies war mir endlich auch so ziemlich geglückt; besonders war es mir möglich geworden, die schlimmen Blasen zu vertreiben, durch stärkeres Erhitzen (bis zum Bräunen) das halb verschwundene Objekt wieder sichtbar zu machen etc (wobei freilich in manchen Fällen noch Schwierigkeiten zurückblieben); – da wurde ich zuerst im weiteren Präpariren durch die Verschlimmerung der Krankheit meines guten Onkels gehindert; später erhielt ich Deinen Brief, in dem Du Dich so entschieden gegen das Aufheben von Präparaten überhaupt und gegen das Präpariren in Balsam aussprachst. Du magst in Beidem (besonders im Letztern) Recht haben; doch hatte es wenigstens diese Folge, daß ich Dir die bis jetzt präparirten Sachen (die obenein noch lange nicht vollkommen sind) auf keinen Fall schicken konnte. Inzwischen war mir eine andre Idee gekommen, nämlich die, durch mechanische Mittel dem Bereiten von Schnitten aus freier Hand nachzuhelfen. So ließ ich mir von meinem Hofmechanikus, Christ, ein Instrument machen, das einigermaßen seinen Zweck erfüllte u. von dem Du daher eink 2tes Exemplar anbei erhältst. Du magst dies nun als ein Geschenk ansehen, als welches Du immer willst. Hier ferner folgt eine kleine Gebrauchsanweisung (Du nimmst mir hoffentlich nicht übel, daß ich diese für nöthig erachte). Vor allen Dingen aber mache ich Dich darauf aufmerksam, keine allzu großen Erwartungen zu hegen; das „Mikrotom“ soll nur der Führung des Rasirmessers einen festen Anhaltpunkt gebenm und die Hand sicherer machen. Am besten gelingen kleinere Schnitte, größere meist nur stellenweise. Eine Beschreibung ist wohl nicht nöthig, da Du das Instrument vor Dir hast; also gleich zur Behandlung. n

1.) Das Objekt, von dem ein Schnitt gemacht werden soll, paßt in die Löcher a oder A der Platte mn, (was z. B. bei Holz etc. herzustellen ist.) –. Das Objekt sei z. B. ein Zweig. –

Dann wird in diesem Falle der Zweig in o eins der 2 Löcher gesteckt, in dem er sich nicht zu leicht bewegen darf, das Rasiermesser wird auf mn fest aufgelegt und der überragende Theil eben abgeschnittenp. Nun die Schraube S (resp. S) so weit an das untere q Ende des Zweiges herangeschraubt, daß sie dieses berührt. Eine halbe Umdrehung von S (meist noch weniger) genügt, um den Zweig darauf, so viel als nöthig ist, über mn vorzuschieben, worauf das Rasirmesser wieder recht fest aufgelegt wird und ein Schnitt gemacht wird. Ist das Objekt zu hart, so daß man das Messer nicht fest genug während des Schnittes auf der Fläche mn erhalten kann, so wird es (das Objekt)r mit wenig Wasser angefeuchtet (oft genügt das einmalige Überfahren mit einem nassen Pinsel). Soll jedoch der Schnitt recht fein werden, so legt man zuerst das Messer mit Rücken und Schneide fest auf mn auf und schneidet das Objekt (den Zweig) durch, hebt darauf den Rücken des Messers ein wenig, so daß nur die Schneide aufliegt und schneidet zum 2tenmale, wobei es meist nicht nöthig ist erst noch ein wenig zu schrauben. Dieser letztere Schnitt macht sich am leichtesten mit der gebogenen Spitze des Rasirmessers. Eine Regel aber ist durchaus festzuhalten: Daß das Rasirmesser ordentlich scharf ist. Nach ein paar Schnitten wird es immer nöthig, auf dem Streichriemen wieder nachzuhelfen. (Es kommt auch vor, daß der Schnitt zu fein wird, aber im Ganzen selten).

2.) Das vorliegende Objekt paßt in keins der Löcher a und A (ist entweder kleiner als a, oder steht zwischen A und a).

In diesem Falle hilft man mit Kork nach. Man schneidet Korke so, daß sie beinah in das Loch A (resp. a) passen und feilt dann mit einer etwas groben Feile so viel ab, daß sie nicht zu leicht durch die Löcher hindurch gehen. Je nach dem Bedürfniß wird nun der Kork durchbohrt und das Objekt hindurch gesteckt (s das Durchbohren geschieht mit einer runden Feile), oder (besonders wenn Längsschnitte gemacht werden sollen) eine Vertiefung ausgeschnitten, in die das Objekt streng hineingeht, oder endlich (bei sehr feinen Sachen, z. B. Moosstengeln etc.) nur ein einfacher Schnitt durch den Kork gemacht, der nicht ganz durchgeht, so daß t an einem Ende die beiden Hälften verbunden bleiben, und in diesen das Objekt hineingeklemmt. Die Schnitte geschehen wie oben; der mit durchschnittene Kork natürlich weggeworfen. – Im Übrigen ergiebt sich Einzelnes bald von selbst. Ein paar auf diese Weise gemachte Schnitte schicke ich Dir mit.

Doch das wäre am Ende doch nicht nöthig gewesen zu schreiben. Wenn Du noch etwas darin wissen willst, so sprechen wir uns ja bald genug. Überhaupt habe ich, trotzdem ich Dich nächstens zu sehen hoffe, (gegen Emil’s Methode) schon wieder Vieles zusammengeschmiert, nur aus Vorsicht, daß wir am Ende später nicht genug Zeit haben, dies oder jenes zu besprechen. Im Übrigen, hoffe ich, bleibt ja noch immer so viel übrig, daß wir nicht stumm neben einander sitzen brauchen, sondern sogar eine Nacht zu verplaudern nicht schwer fallenu wird. Daher mag hier noch Einiges folgen, wie es mir beim weiteren Durchlesen Deines Briefes einfällt.

Es fällt mir gerade ein Compliment in die Augen, das Du mir und Weber zu machen geruhtest. Nur wenige Beweise, daß dies grundfalsch ist und daß von einem Zurücksein hinter Euch sehr wohl und nur bei mir die Rede sein kann. Den einen Beweis hast Du selbst geliefert, indem Du mir meine falsche Orthographie nachgewiesen hast, wofür ich Dir übrigens Dank schuldig bin, obgleich es mirv, wie ich nicht leugnen will, das Blut ein wenig in die Wangen trieb. Und um wirklich ehrlich zu sein, muß ich Dir gestehen, daß dies nicht blos Flüchtigkeitsfehler von mir sind; mein Bruder hat mir ganz dieselben || Fehler schon zu wiederholten Malen aus Briefen an ihn nachgewiesen. Als ein anderer Beweis diene z. B. die Versicherung, daß ich sogar in dem, worin ich früher bewanderter war, schrecklich zurückgekommen bin. So habe ich die von Dir angegebenen Aufgaben aus Swinden nach mehrstündigem Tifteln noch nicht herausbekommen (überhaupt sehe ich hier oft das Einfachste nicht mehr); ferner sehe ich, daß ich in der Physik höchstens über die Elektricitätslehre etwas weiß, dagegen in der Chemie sich mein ganzes Wissen aus Experiementiren nach Vorschrift besteht! In allen andern Dingen: Latein, Griechisch, Deutsch,w Botanik, Zeichnen etc. etc. etc. …bin ich ein ganzer Schächer, was Du nicht wirst abläugnen können, u. ich werde es auch nie zu etwas bringen. – Neulich habe ich die Optik nach Eisenlohr vorgenommen und angefangen durchzulesen. Das ist eine Heidenarbeit, da man keine Experimente machen kann! – Es ist aber auch wirklich nöthig, daß ich hier einen Begriff bekomme; denn ich kann mir die Wirkung des Mikroskops z. B. wahrhaftig nicht genügend erklären, indem ich nicht begreife, wie ein nur in der Luft schwebendes, unsichtbares Bild, das nur durch Vereinigung von später wieder auseinandergehenden Lichtstrahlen entsteht, von einer darüber befindlichen Linse soll vergrößert werden können, wie es gewöhnlich erklärt wird. Neulich haben Hetzer und ich noch andere merkwürdige optische Versuche mit dem Mikroskope angestellt, die wir uns ebenso wenig entziffern konnten. Nimmst Du z. B. das Okularsystem ab und besiehst eine Schrift damit so, daß das dem Auge am nächsten befindliche Okularglas (unter der schwarzen Einfassung oben, das kleinere) sich unten befindet, der Schrift zunächst, so erscheint dieselbe, wie bei einer Lupe, vergrößert. Drehst Du die ganze Geschichte um und versuchst die Schrift noch einmal zu besehen, so siehst Du in der Nähe zwar nichts, weit entfernt vom Glase erscheint die Schrift verkehrt. Nun reime mir das zusammen. Wir haben viele Zeichnungen angefertigt, doch x alle ergaben falsche Resultate. Nun bin ich neugierig, ob ich die Räthsel aus Eisenlohr begreifen lerne! – Übrigens nimmt Eisenlohr Alles nach der Undulations-Theorie durch, was ein simpler Verstand auch nicht gleich kapirt. Bis jetzt bin ich noch nicht weit und habe schon Einzelnes nicht verstanden! –

Noch etwas muß ich Dir schreiben, obgleich ich hierdurch immer mehr in Deiner guten Meinung fallen werde. Ich habe inconsequenter Weise den Fackelzug für unsern Ollen doch mitgemacht! Aber freilich nach folgender Geschichte, die Du nicht weiter erzählen wirst. Kurz vor dem Tage, an dem jener Fackelzug gehalten werden sollte, erklärten die Tertianer, obgleich sie ihn mit Freuden hatten mitmachen wollen, in Folge einer Aufhetzerei gewisser Tertianer, sich vony demselben ausschließen zu wollen. Dies wurde bei Tische Osterwald erzählt, worauf dieser sich erkundigte, ob wir nicht diejenigen wüßten, von denen das ausgegangen sei (was wir natürlich nicht wußten oder doch nicht zu wissen angaben). Hiernach konnte ich mich nicht mehr ausschließen. – Übrigens bin ich in ebenfalls klassischem Aufzuge erschienen. Trotz des eingetretenen Schneegestöbers hatte ich alte Turnsachen angezogen (natürlich noch Rock und Hosen darunter) u. s. w. Mein Turnrock endete zuletzt in den Flammen auf dem Markte. Auch sonst kamen noch klassische Anzüge die Menge zum Vorschein. –

Das Experiment mit Jodstickstoff ist durchaus nicht so gefährlich, wie Du es machst, wenn man nurz kleine Mengen nimmt. Die Vorsicht, das Filtrum naß zu zerreisen, ist durchaus nicht ohne, da wir den Jodstickstoff, solange er nur wenig feucht war, nicht zum Explodiren bringen konnten, (selbst nicht durch Hammerschläge)aa, während es schon bei der leisesten Berührung explodirte, nachdem es ordentlich ausgetrocknet war. Vor allen Dingen muß man eben nur geringe Mengen zubereiten. –

Was meine Skrupel im Mohl betrifft, so waren sie im Betreff des Prosenchyms und Parenchyms schon gleich nach dem Abschicken des Briefes an Dich gehoben; über den schönen Satz (S. 14 unten) komme ich auch jetzt noch nicht ganz hinaus; doch glaube ich, daß er das Richtige meint. Obgleich ich noch lange nicht mit dem Studium des Mohl fertig bin, so muß ich doch sagen, daß er mir immer mehr gefällt. Er würde mir freilich noch mehr gefallen, wenn ich die Sachen selbst unter einem „Oberhäuser“ untersuchen könnte; ja wenn ich Buchbinder’s Mikroskop pumpen dürfte, doch das mag ich nicht riskiren aus manchen Rücksichten. –

An Gandtner zu schreiben wird mir wohl nicht möglich werden. Doch obgleich ich es fast verschworen hatte, wieder an ihn zu schreiben, so könnte es wohl noch einmal geschehen. Er ist übrigens nicht blos gegen seine früheren Schüler, sondern auch gegen seine älteren Freunde sehr schreibfaul; an meinen Bruder hat er z. B. seit lange vor seiner (Gandtner´s) Hochzeit nicht geschrieben. –

Vergiß nur nicht, einige interessante Sachen zu Ostern mitzubringen. – Mit Kindern der Flora Hallensis wird’s wohl bis Ostern noch nichts werden, der Schnee liegt hoch bei uns. Gehst Du aber wirklich nach Jena, so sei gewiß, daß ich Dich in diesem Jahre dort bekneipe. – Vor Allem bring Deinen Freunden Deine alte Freundschaft und Liebe mit, hörst Du? Vergiß nicht!

Dein Weiß. ||

An Osterwald’s Geburtstage waren wir höchst fidel. Unser Geschenk waren die Abbildungen zu Faust und ein Stahl zum Stahl- (oder Consistorial-) Punsch, über den schon lange hin und her gespaßt war. Wir waren so fidel, daß z. B. ein Opern- und ein Sauf- Comment gesungen wurde, nebst verschiednen andern schönen Liedern (!!!). – Alle grüßen.bb ||

Tüpfel im Holze von Coniferen habe ich bis jetzt mit meinem Mikroskope noch nicht entdecken können, obwohl sie nach Abbildungen Schleidens wohl bemerklich sein müßten, da sie dort eine im Verhältniß zur Breite der Zelle ganz annehmbare Breite besitzen. Vielleicht hast Du sie gesehen. Vergiß auch nicht, Deine Zeichnungen der mikroskopischen Beobachtungen zu Ostern mitzubringen. Besonders neugierig bin ich auf „eine Copie eines Längsdurchschnitts durch die unentwickelte Samenknospe von Helleborus foetidus.“ –cc ||

den 2/3 53. Heute haben die diesmaligen Abiturienten (Frahnert und Konsorten) ihr Examen gemacht und sind glücklich durch. Das Examen was diesmal höchst leicht gemacht.dd

a eingef.: ihm; b eingef.: 2te; c gestr.: schließende Klammer ); d gestr.: zu; e gestr.: vulgaris; f eingef.: Exemplare aus; g eingef.: (unreifen); h eingef.: Hedw.; i eingef.: Br.; j eingef.: kann; k eingef.: erst; l korr. aus: eine; m eingef.: geben; m mit Buchstaben bezeichnete Handskizze eines Mikrotoms rechts nebenstehend; o gestr.: die; p eingef.: ab-; q gestr.: Theil; r eingef.: (das Objekt); s gestr.: der; t gestr: die er; u korr. aus: fällt; v gestr.: ich, eingef.: es mir; w eingef.: Deutsch,; x gestr.: keine kon; y eingef.: sich von; z eingef.: nur; aa eingef.: (selbst nicht durch Hammerschläge); bb Text auf dem linken Rand von S. 4, um 90° gedreht: An Osterwald’s … Alle grüßen.; cc Text auf dem linken Rand von S. 3, um 90° gedreht: Tüpfel im … foetidus.“ –; dd Text auf dem linken Rand von S. 2, um 90° gedreht: d. 2/3 53. … leicht gemacht.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.02.1853
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 16623
ID
16623