Luise Weiß an Ernst Haeckel, Berlin, 28. Mai 1863

Berlin den 28. Mai 63.

Mein lieber bester Ernst! (und Frau.)

Ihre lieben Eltern sollen doch nicht abreisen, ohne ein paar directe Worte von mir an Sie, die vor Allen abermals herzlich und innig danken für die große Freundlichkeit, mit der Sie mich zu sich einladen. Kommen will ich – aber wann, kann ich wirklich jetzt noch nicht bestimmen; jedenfalls scheint es wohl so, daß es sich bis in den Juli verschieben möchte und also nicht während der Anwesenheit Ihrer Eltern bei Ihnen. Jetzt eben habe ich Logierbesuch, Prof. Hermann Weiße aus Leipzig (eigentlich Stötteritz) der mich Anfang nächster Woche wieder verläßt; aber dann muß ich etwas ausruhen; dann kommt wahrscheinlich Lieschen Weiß aus Merseburg zu mir, auf wohl nicht weniger als ein paar Wochen.

Da wird wohl Juli herankommen und ich ohngefähr wie gewöhnlich abreisen und den 13.ten in Eger verleben; kann ich dann nachher zu Ihnen kommen? aber lieber Ernst, länger als 3 - 4 Tage kann ich keinesfalls bleiben. ||

Aus vielen Gründen will ich nicht sehr lange von hier entfernt seyn; ja, ich kürze diesmal auch meinen Aufenthalt in Eger ab; dann muß ich ein paar Tage in Stötteritz – ebenso in Schkeuditz seyn – Merseburg eingerechnet, wo ich blos Lieschens neue Wohnung im väterlichen Hause ansehen will. Das ist Alles Zeitraubend und mit Muße und Bequemlichkeit muß ich reisen, ich alte Frau.

Sehr erfreulich ist’s mir, zu hören daß Sie schon gegen Ende September hier seyn wollen und den Oktober wohl ganz. Nun, dann bin ich ja in alle Fälle hier und dann hoffe ich sicher daß die jetzige Nähe der Wohnungen mir zu Gute kommen wird und Sie und meine liebe Frau Anna recht oft bei mir seyn werden.

Die größere Nähe fühle ich auch in Bezug auf unsern Freund Barth der viel öfter jetzt zu mir kommt. Daß er endlich zum Professor ernannt worden, wissen Sie vielleicht schon aus Zeitungen; seine Freunde || möchten ihn aber wie bisher Doctor nennen; als Doctor habe ich was (!) geleistet, sagte er, aber nichts als Professor! Er war jetzt einige Tage in Dresden und deshalb Sonntag nicht – mit Ihren Eltern – Braun’s und Ewald – bei mir zu Tisch; hingegen gestern, mit mir und Prof. Weiße bei Ihren Eltern, und morgen Abend bei mir. Er spricht oft mit der größten Zuneigung von Ihnen und ließ Sie gestern Mittag leben! (wendete den Toast auf sich – auf Sie.)

Aber was plaudere ich Ihnen da Alles vor! Die Eltern können ja dies besser erzählen als ich hier schreibe.

Leben Sie also herzlich wohl Alle Beide und recht vergnügt mit den lieben Eltern. Bis auf frohes Wiedersehen (versteht sich, daß ich noch wieder schreibe ehe ich komme)

Ihre alte getreue

L. Weiß

Brief Metadaten

ID
16606
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
28.05.1863
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16606
Zitiervorlage
Weiß, Luise an Haeckel, Ernst; Berlin; 28.05.1863; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_16606