Luise Weiß an Ernst Haeckel, Berlin, 19. Februar 1864
Berlin den 19. Febr. 64.
Mein inniggeliebter armer armer Ernst!
Was Sie verlohren haben – ich weis es, ich fühle es tief mit Ihnen, und Sie glauben es mir; denn ich liebte Ihre theure Anna wahrhaft; sie war edel und liebenswürdig und sie liebte Sie ganz so, wie eine wirklich gute Frau es soll; sie machte Sie im vollen Sinn des Wortes glücklich!
Gesegnet sei ihr Andenken allezeit! viel Liebe folgt ihr in ihr stilles Grab! aber auch viel Trauer und Thränen.
Lieber theurer Ernst – halten Sie still bei diesem ungeheuer tiefen Schmerz! „geht Dir’s doch wie Gott es will.“ – Trauer und Ergebung in das uns von Gott auferlegte Schicksal; es ist das einzige Mittel uns aufrecht zu halten; denn Trost bringen – kann jetzt nichts; aber tröstlich ist manches: die Liebe die Sie ihr bis zum letzten Augenblick gewidmet – die Mutterliebe, die sogleich zu ihrem armen Kinde eilte – die Vaterliebe – die Geschwisterliebe – die den Sohn den Bruder – sehen und umarmen musste, lieber Ernst – es ist Ihnen noch Manches geblieben. ||
Ja, – aber das Schönste – die schönste Liebe die Gott in des Menschen Seele gelegt hat – die Gatten-liebe – die ist für Sie jetzt von der Erde verschwunden, und dies – dies fühle ich mit Ihnen kann ich mitfühlen, wie vielleicht Wenige und wenn Ihr Schmerz über kurzes Glück groß ist – so ist der über den Verlust des einzigen Besitzes – nicht minder groß, wo Alles verlohren wurde.
Ich sage diese Worte, um Sie von dem tiefen Mitgefühl zu überzeugen, das mich erfüllt und so unbeschreiblich traurig macht! aber Sie wissen es auch, Sie wissen, dass Sie eine treue Freundin an mir haben, die Ihre Anna innig liebte – Ach‘, hätte doch Gott gewollt dass ich anstatt Anna starb! ich, die so einsam, so unnütz in der Welt dasteht; die sich so nach dem Ende sehnt! Doch – still – still und ergeben in Gottes Willen – auch ich – still.
Schon sind es zweimal 24 Stunden als ich mir die Trauernachricht in Ihrem elterlichen Hause holte und ich schreibe erst jetzt; aber ich konnte nicht früher ich war zu traurig, zu schmerzlich bewegt; || ja, ich wollte auch gern erst etwas Näheres über die letzten Tage und Stunden hören, mehr – als die telegraphischen Depechen brachten. Aber ich mag doch nicht länger warten, ich muß Ihnen sagen: daß ich Tag und Nacht an Sie denke, nichts anderes.
Wie lange werde ich noch warten müssen bis ich Sie sehe, bis ich Sie höre! im Geist zwar, höre und sehe ich Sie und Anna; ihre beiden lieben Gestalten, wie sie hier sich in meinen Räumen bewegten! o wie lieb ist mir’s, dass Sie Beide im August bei mir herbergten! und eben so lieb und werth und unvergeßlich ist mir mein Besuch bei Ihnen in Jena; dass ich mir Sie Alle denken kann in den Räumen; und auch manche Personen kenne.
Von der Theilnahme Ihrer Freunde will ich heute nicht sprechen; habe auch selbst wenige gesehen; auser Beyrichs, nur Frau Braun, an die ich vorgestern gleich schrieb. – Heute steht die Anzeige in der Zeitung. – Tante Bertha und Gertrud haben mir Mittheilung versprochen, aber bis jetzt weis ich nichts, seit vorgestern. Mögen Alle glücklich bei Ihnen angelangt und Alle gesund seyn und bleiben; ich grüße Alle. Halten Sie sich möglichst ruhig, und des treuen Andenkens versichert Ihrer
alten, traurigen Freundin
Luise Weiß.