Max Schultze an Ernst Haeckel, Bonn, 9. September 1863

Bonn 9 September 63.

Lieber bester Freund!

Sie werden mir böse sein, daß ich auf Ihren ausführlichen Brief vom 18ten Juli noch nicht geantwortet habe. Der Semesterschluß brachte so unendliche Arbeiten für mich als Dekan, daß darüber Alles liegen geblieben ist. Dann wußte ich Sie abwesend. Nun ich erfahren habe, daß Sie bis zur Naturforscherversammlung in Häringsdorff bleiben, will ich es versuchen ob ein Brief Sie erreicht. Denken Sie ich war in Jena, bin Ihren Spuren gefolgt! Ich kann Ihnen nicht sagen wie leid es mir that, daß Sie fehlten. Aber Ihr Haus habe ich mir besehen, und erzählen lassen habe ich mir viel von Ihnen, so daß ich doch eine kleine Idee von Ihrer Existenz in Jena bekommen habe. Ich bekam plötzlich Lust zu || einer kleinen Fußtour und beschloß meinen Bruder abzuholen, mit dem ich dann einige Tage in den herrlichen Thüringer Wald umherwanderte, und so leichtsinnig von Hause wegblieb, (d. h. 2 Tage über die ursprüngliche Verabredung) daß als ich nach Hause kam meine Frau mich mit dem Tags zuvor geborenen 5ten Jungen überraschte! Das ist ein Segen! Gottlob war Alles gut gegangen und ich brauchte mir für meinen Leichtsinn keine Vorwürfe zu machen. Heut ist der neunte Tag und da bisher keine Störung eintrat, wird es hoffentlich die nächsten Wochen, die mir bei meiner Frau immer sehr ängstlich sind, auch gut gehen. An Verreisen ist natürlich die Ferien nicht zu denken.

Doch nun zum Protoplasma über das Sie mir so liebenswürdig ausführlich geschrieben. Ich stimme Ihnen ganz bei, daß ich durch eine || etwas andere Anordnung des Stoffes die allgemein richtige Seite noch besser hätte herauskehren können. Doch habe ich Gelegenheit bald wieder auf den Gegenstand zurückzukommen, und zwar von einer anderen Seite, die mir mehr Gelegenheit giebt die Beziehungen zur Entwickelung der Gewebe im Allgemeinen hervorzuheben. Es hat mich schon gefreut, daß Sie meine Deductionen schlagend finden. Freilich ista Reichert zu gut behandelt worden, wie sich schon herausgestellt hat. Das nächste Heft des Archives bringt eine Antwort von ihm, die er bereits als Separatabdruck versandt hat. Ich fand sie bei Gegenbaur. Etwas Elenderes ist mir noch nicht vorgekommen. Er zieht in allen Punkten zurück giebt dem Aufsatz aber einen heftig polemischen Anstrich, daß man ihn recht anmerkt, wie er die Wahrheit nur deßhalb nicht eingestehen will, || weil ich sie ihm gelehrt habe. Schließlich stellt er seinerseits die baldige Entdeckung der Körnchen in den Pseudopodien in Aussicht, wozu er sich wie ich höre nach Cette begeben hat. Ich lasse nicht nach, b er mußc zermalmtd e werden. Demnächstf habe ichg bereits eine entsprechende Entgegnung aufgesetzt. Sie werden in Berlin Manches Wunderbare hören – von da bitte schreiben Sie mir auch einmal. Für Stettin wird es an Amüsement nicht fehlen, wäre ich nicht Wöchner ich käme sicher hin.

Martens ist wie ich aus der Zeitung sehe, glücklich nach großen Mühseligkeiten zurückgekehrt. Da läßt sich was Großes erwarten.

Bezold ist jetzt hier in Bonn mit seiner Braut, und erfreue ich mich sehr an dem Umgang mit dem prächtigen Menschen.

In Jena finden Sie auch meine Arbeit über den Faltenkranz des Froscheies vor.

Beste Grüße an Ihre Frau und Ihre verehrten Eltern.

Ihr treu ergebener

Max Schultze.h

a korr. aus: [xxx]; b gestr.: ihn zu; c eingef. mit Einfügungszeichen: er muß; d korr. aus: zermalmen; e gestr.: und; f eingef. mit Einfügungszeichen: werden. Demnächst; g eingef. mit Einfügungszeichen: ich; h Text weiter am linken Rand von S. 4: Beste … Schultze.

Brief Metadaten

ID
16498
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
09.09.1863
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,6 x 20,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16498
Zitiervorlage
Schultze, Max an Haeckel, Ernst; Bonn; 09.09.1863; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_16498