Weismann, August

August Weismann an Ernst Haeckel, Genua, 27. Dezember 1869

Genua, den 27ten December 1869.

p. adr. Hrn. Friedrich Gruber & Co

Lieber Freund u. College!

Ihre freundliche Sendung vom 7ten Oktober erhielt ich erst, vor 8 Tagen, sonst würde ich Ihnen schon längst meinen herzlichen Dank für dieselbe gesagt haben. Solche Zeichen der Theilnahme sind mir immer ein Trost u. eine Aufmunterung, die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht ganz fallen zu lassen. Bis jetzt ist indessen das Herannahen einer solchen kaum deutlicher zu spüren, als zu der Zeit, wo wir uns in Jena kennen lernten. ||

Daß ich diesen Winter in Italien zubringe, geschieht zwar nicht aus dem Grund, daß es mir unmöglich wäre, Vorlesungen zu halten, dennoch aber aus Rücksicht auf meine Augen, denen die Anstrengung der Wintervorlesung stets nachtheilig gewesen ist. Ich hoffte durch gänzliches Ausruhen die Herstellung zu beschleunigen. Genua ist aber ein schlechter Ort für die Augen, u. ich werde deshalb nächstens nach Rom übersiedeln u. meine Frau, sowie mein 1½ jähriges Töchterlein hier bei meinen Schwiegerältern zurücklassen.

Arbeiten kann ich natürlich Nichts, doch hatte ich einige || Versuche mit Seesternen vor, bei denen ich früher einmal freiwillige Selbsttheilung beobachtet hatte. Bis jetzt hat, deren Ausführung jedoch nicht glücken wollen, die Winterszeit ist dafür sehr ungünstig, im März denke ich wieder nach Genua zurückzukommen, kann ich Ihnen vielleicht dann nützlich sein durch Sammeln von Spongien, so bitte schreiben Sie mir, es würde mir das größte Vergnügen machen. So viel weiß ich indeß von früher her, daß mit dem Schleppnetz hier Wenig oder Nichts zu machen ist.

Doria habe ich kürzlich besucht, u. ihn mit der Einrichtung einer städtischen Sammlung sehr beschäftigt gefunden; er || will auch ein großes Aquarium anlegen.

An Ihren Arbeiten sowie an Allem was in unsrer Zoologie Neues errungen wird, nehme ich natürlich den lebhaftesten Antheil, wenn es mir auch recht schwer wird, so zu folgen, wie ich es möchte. Auf Ihre Siphonophoren-Entwicklung freue ich mich ganz besonders, doch werde ich sie mir schwerlich vor meiner Rückkunft nach Freiburg verschaffen können, hätte auch hier kaum Zeit zum Studium, da es mit dem Vorlesen sehr langsam geht. Hoffen wir auf bessere Zeiten!

Mit herzlichem Gruß an Sie u. Gegenbaur u. mit der Bitte um freundliche Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin

Ihr ergebener

Aug. Weismann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.12.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16447
ID
16447