Johannes Walther an Ernst Haeckel, Nuwara Elya (Nurelia), 18. bis 20. Februar 1889

Nurellia 18.II.1889.

Hochverehrter Herr Professor!

Gestern Abend trank ich mit meinem Reisebegleiter Prof. Exner (Physiker) aus Wien auf Ihr Wohl und sende Ihnen heute aus dem erfrischenden Rhododendrenblühenden Nurelia meine herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstage, beifolgende Nurelliablümchen möge Ihnen ein Gruß Ihres Ceylons sein.

Meine Arbeiten sind abgeschlossen und mit glücklichem, befriedigtem Sinn genieße ich die Pracht Ceylons. Ich hätte Ihnen so gern einmal in dem letzten Monat geschrieben, allein der war an Strapazen und Arbeit so reich, daß ich kaum meinen Eltern mehr als einen kurzen Gruß senden konnte. ||

Nachdem ich von Dardhiling zurückgekommen war, ruhte ich im Bungalow deutscher Freunde in Malabar Hill 6 Tage aus und fuhr nach Madras, von da nach Tridinopoly. Dort begann eine 9tägige sehr anstrengende Ochsenkarrenfahrt durch die Kreidekorallenriffe von Utatus, Maravattus, Cullygoody. Der Collektor hatte mir einen Amtsdiener mitgegeben, mein Butler zeichnete sich durch allerlei Kochkünste aus und die guten Tamilen überschütteten mich mit Freundlichkeiten allein es war doch oft recht anstrengend. Die seit 1860 nicht untersuchten Riffe waren sehr interessant, Gneißblöcke im Riffkalk, und Austern auf der versteinerten Gneißküste. Metamorphose der Sedimente sehr lehrreich. Nachdem ich die alten Tempel in Trichy angesehen, fuhr ich nach Madura, sah die großartigste Pagode Indiens und fuhr mit Ochsenwagen (Relais) in 72 Stunden bis zur Paumbanstraße, wo ich nach Paumbam übersetzte. ||

Was ich auf dieser Insel an lebenden u. fossilen Riffen gesehen habe, übertraf meine kühnsten Träume. Das lebende Riff in verschiedenen Stadien des Absterbens mit Poritesthürmen von 2m Höhe und 5m Durchmesser! Ich ließ 2 Tage tauchen und habe 11 kleinen [!] Kisten voll Korallen. Am Ufer viel Spirula, Janthina, Physalia (massenhaft).

Rings um die Nordhälfte der Insel zieht sich 2–3 m hoch eine fossile Riffterasse, welche ebenso große Porites und eine reiche Fülle anderer Korallen bot, sodann ein sehr interessantes fossiles Kalkalgenlager mit Korallen. Aber das tollste ist, daß dieses subfossile Riff sich fortsetzt in eine Riffmasse, welche zu einem rothen Marmor verwandelt ist. Was ich so lange vermuthet hatte, daß die Metamorphose des Kalksgesteins kein chemischer, sondern ein akuter spezifischer Prozeß sei, der in einer relativ kurzen Zeit sich vollzieht, das sah ich hier in evidenter Klarheit. Die Sache war so fesselnd für mich, daß ich meiner || durch viele Märsche in der Mittagsgluth entzündeten Füße nicht achtete; und als meine Füße so anschwollen, daß ich keine Schuhe mehr anziehen konnte, machte ich eine 5stündige Excursion in Strümpfen. Doch ich litt so arg, daß ich rückwärts nicht mehr gehen konnte, und mich von Fischern auf einem Balken innerhalb des Riffes nach einem Rasthaus ziehen lassen mußte. Dort lag ich 2 Tage ziemlich von Schmerzen geplagt. Endlich kam ein Segelschiff von Carrical, welches mich in 30 Stunden nach Colombo brachte. Ich fuhr am anderen Tag nach Mt. Lavinia, wo mich Prof. Exner erwartete, und dort konnte ich mich ausheilen und ausruhen. Auch über die Geschichte der Adamsbrücke habe ich interessante Studien gemacht, sie hat schon früher einmal bestanden und wird jetzt zum zweitenmale zerfressen. ||

20.II.

Da der nächste Dampfer erst am 26. geht, ließ ich meinen Brief unvollendet, und hatte heute Freude in einem Brief meiner Eltern Ihren Brief zu empfangen. Herzlichsten Dank! Es ist in der Ferne ein so beglückendes Bewußtsein, daß man daheim wohlwollende, freundliche Gesinnung zurückgelassen hat.

Von Colombo machten wir eine sehr schöne Tour nach Ratnapura, und fuhren von dort 2 Tage lang den Kuluganga herab bis Kaltura, a dort setzte ich mich in die Postkutsche, fuhr nach Galle, sah mir mehrere Stunden das Riff von beiden Ufern der Bucht an, und fuhr Nachts bei Mondschein wieder zurück und nach Colombo. So schönen formenreiche Riffe wie in Galle habe ich doch noch nirgend gesehen. Ich wäre gern nach Belligan um Ihnen von dort erzählen zu könen, allein Prof. Exner wollte bald hier herauf, um noch zu beobachten und so gab ich meinen Plan auf.

Die Fahrt bis Kandy finde ich sehr schön, doch weiter herauf hat der schöne Wald überall den Plantagen Platz machen müssen und || kahle Berge wollen mir gar nicht gefallen, besonders nachdem ich die großartigen Urwälder des Himalaya gesehen habe. Hier oben aber gefällt es mir besser. Obwohl ich officiell meine Arbeiten als beendet betrachte so beobachtete ich hier doch auch manches hübsche lehrreiche Lateritprofil, und erweitere mein Urtheil über die Bildung dieser sonderbaren ThonErde. Die Rhododondren beginnen eben zu blühen und auch sonst blüht und duftet die ganze Landschaft. Wir werden nach dem Pedrotallagalla nach den Horten Plains gehen, den Adamspeak aber aufgeben, denn am 28. fährt mein Reisebegleiter nach Bombay, und am 1.III. hoffe ich selbst auf der Braunschweig wieder heimwärts zu dampfen. Ich bin nicht mehr frisch genug um noch viel beobachten zu können, wenn Sie bedenken, daß ich 4600 engl. Meilen im Schnellzug und gegen 300 Meilen im Ochsenwagen gefahren habe, viele scharfe und heiße Märsche geleistet und dabei immer studirt und gedacht habe, so werden Sie verstehen daß ich mich nach Ruhe sehne. ||

Ich werde nach Cairo gehen um dort 2-3 Wochen einige Wüstenritte nachzuholen und noch einige Beobachtungsreisen zu machen. Dann gehe ich langsam, durch Italien nach Muttern, hoffe gegen 25 IV in Weida und Anfang Mai im alten lieben Jena zu sein. Der Direktor des Museum in Madras lädt mich ein, mit ihm in der Palkstraße zu dredgen, allein ich habe genug, und werde ihm abtelegraphiren.

Die Verlobung Liebmanns hat mich sehr gefreut, ich glaube, die beiden passen zueinander. Auch über Kükenthals und Walters Reise freue ich mich sehr, sie werden gewiß viel Schönes beobachten und sammeln. Für Sie freilich wird es schwer sein, zwei junge Gehülfen auf einmal entbehren zu müssen.

Bitte empfehlen Sie mich verehrungsvoll Ihrer geschätzten Frau Gemahlin, haben Sie nochmals herzlichen Dank für Ihre Zeilen.

In dankbarer Verehrung

Ihr treuergebener Schüler

Johannes Walther

a gestr.: wo

Brief Metadaten

ID
15850
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Sri Lanka
Entstehungsland zeitgenössisch
Ceylon
Datierung
18.02.1889
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
13,4 x 20,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 15850
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; Nuwara Eliya; 18.02.1889; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15850