Johannes Walther an Ernst Haeckel, München, 25. Februar 1885

München den 25 Februar 1885

Hochverehrter Herr Professor!

Durch den so überraschenden Tod des Herrn Geheimen Hofrath Schmid ist auch für mich eine schwerwiegende folgereiche Situation eingetreten. Wie ich von Prof. Zittel erfahren habe, würde Gottsche der so fern weilt, kaum in Frage kommen können und was ich von dem nächsten Candidaten, Steinmann weiß, giebt mir wenig Hoffnung daß ein persönlich liebenswürdiger Geologe nach Jena komme.

Was halten Sie von meinen Aussichten zur Habilitation, wenn ein Geologe nach Jena kommen sollte, der als junger Streber keinerlei Rücksichten zu nehmen gewohnt ist, und dem natürlich auch meine eventuelle Habilitation unbequem sein dürfte? Wenn ich nicht der sicheren Zuversicht lebte, daß Sie, wie früher mir auch jetzt Ihr Wohlwollen erhalten, so müßte ich recht trüb in die Zukunft blicken. ||

Zittel rieth mir, mich in Tübingen oder Erlagen zu habilitieren, allein ich fürchte, daß mir da mein mangelndes Reifezeugniß eine unüberwindbare Schranke setzen möchte, in Jena allein hatte ich Hoffnung. Die ermuthigenden Versicherungen von Ihrer Seite, gaben mir Zuversicht, daß Alles gut ausfallen würde, und Eucken sagte mir noch zum Schluß: wenn Professor Haeckel für Sie ist, dann sorgen Sie sich nicht. Dann wird Alles glücken – und nun bin ich dennoch zagend geworden.

Wenn ich über meine nächste Zukunft Genaueres wüßte, wenn ich nur ein sicheres Wort im guten oder im ungünstigen Sinne erführe, so würde ich ruhig werden; aber die bangende Ungewißheit ist mir drückend und quälend. Sie allein, verehrter Herr Professor, können mir sagen, ob ich hoffen darf, oder fürchten muß. Sie allein können mit einem kurzen Wort mir Klarheit geben. Bitte reißen Sie mich aus der trüben Unsicherheit und geben Sie mir Trost.

Sie werden vielleicht gerade jetzt mit Geschäften || überladen sein, werden gerade jetzt am wenigsten Zeit haben – und doch bitte ich Sie herzlich, meiner zu gedenken und mir ein kurzes Wort über meine Zukunft zu schreiben.

Mein Gesuch um den academischen Tisch und 500 M Stipendium sind von der Berliner Akademie auf Beyrich’s und Roth’s Fürsprache genehmigt und ich könnte mich dessen freuen, aber in den letzten Tagen war es mir recht wenig freudig zu Muthe und ich kann mich der trüben Gedanken nicht erwehren.

Bitte gedenken Sie meiner.

Ich bleibe Ihr

treu ergebener dankbarer Schüler

Johannes Walther.

Brief Metadaten

ID
15833
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
25.02.1885
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,9 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 15833
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; München; 25.02.1885; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15833