Johannes Walther an Ernst Haeckel, Jena, 12. Januar 1882

Jena d. 12 Januar 1882.

Hochverehrter Herr Professor!

Der naturwissenschaftliche Verein hat mich beauftragt, Ihnen zu Ihrem bevorstehenden Geburtstage, die herzlichsten Glückwünsche über Länder und Meere hinweg, zuzurufen.

Ich schließe mich von ganzem Herzen an. Möge Ihnen das neue Jahr Glück u. Segen bringen, möge es vor Allem Sie gesund und frisch uns in Jena wieder zuführen, die wir eigentlich recht verwaist in diesem || Semester dastehen.

Unser naturwissenschaftlicher Verein blüht immer mehr; wir sind jetzt 30 Mitglieder u. hoffen am 21. dieses ein recht vergnügtes II Stiftungsfest zu feiern; wenn wir da freilig nicht die Ehre und Freude haben können, Sie in unserer Mitte zu sehen, so werden wir Ihrer gewiß gedenken, unseres Ehrenmitgliedes, dessen Zuneigung u. Unterstützung unser Verein soviel verdankt.

Gar oft sind meine Gedanken Ihnen nachgeflogen, da es mir nun einmal nicht vergönnt war, Sie begleiten zu können; es ist vielleicht nicht unmöglich, daß ich später, wenn ich in der Wissenschaft mehr gereift bin, auch einmal die Wunder der Tropenwelt mit eigenen Augen sehen kann. Ich habe unterdessen meine Arbeit über den Hechtschädel aufgenommen, die || allerdings bis jetzt noch wenig gefördert ist, wenigstens nur wenig Resultate ergab. Die jüngsten mir zu Gebote stehenden Individuen sind schon soweit entwickelt, daß nur geringe Veränderungen im Laufe des Weiterwachsthums eintreten, so daß ich jetzt meine ganze Hoffnung auf die Beobachtung der niederen Stadien a stelle, die ich in den nächsten Monaten studiren will.

Herr Amtmann Gräfe in Zwätzen will mir einen Kasten in der Fischzuchtanstalt zur Verfügung stellen u. so werde ich Mitte Februar meine Kulturen daselbst anfangen. Außerdem arbeite ich auf dem Präparirsaal, da ja die Kenntniß des menschlichen Organismus für uns von großer Bedeutung ist.

Seit 4 Wochen existirt hier auch ein Verein jüngerer Mediciner, leider kann unser Verein nicht in Beziehung zu ihm || treten, da er statutarisch gegen alle Fremden gepanzert ist.

Gestern war die Studentenschaft sehr zahlreich in Weimar zur 100jährigen Jubelaufführung der Räuber, es wurde: Stoßt an, Jena soll leben u. Gaudeamus gesungen am Schluß der Lieder wurde commandirt: silentium! Das Lied ex. das Spiel kann weiter gehen, was dem Theaterpublikumb großen Spaß zu machen schien.

Das wären etwa die Neuigkeiten aus dem Jenenser Studentenleben, die Sie interessiren dürften.

Indem ich Ihnen nochmals von Herzen Glück zu allen Ihren Unternehmungen wünsche, verbleibe ich

mit der größten Hochachtung

Ihr dankbarer Schüler

Johannes Walther

a gestr.: re; b korr. aus: Theaterpuplikum

Brief Metadaten

ID
15827
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
12.01.1882
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15827
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; Jena; 12.01.1882; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15827