PROF. JOHANNES WALTHER.
HALLE A. S., DEN 16 Februar 1910
FASANENSTRASSE 4.
Liebe, hochverehrte Excellenz!
Zu Ihrem heutigen Geburtstage sollen meine und meiner Frau herzlichsten Glückwünsche nicht fehlen. Nachdem für Sie die Jahre des Kampfes vorüber sind, und auch || Ihre so äußerst fruchtbringende akademische Thätigkeit ein selbstgewolltes Ende gefunden hat, hoffen und wünschen wir von Herzen, daß Ihnen im Kreise der Ihrigen noch lange schöne Jahre beschieden sein möchten.
Ich habe so lange nichts von Ihnen gehört, und auch als kürzlich meine Frau zum Besuch ihrer alten Freundin Buchholz in Jena war, konnte sie || nichts Näheres erfahren, daß ich hoffe, Sie haben den Winter wieder einmal im sonnigen Süden verleben können.
Nachdem mein Institutsumbau fertig ist, habe ich mir Urlaub geben lassen um März bis Anfang Mai wieder einmal in Neapel an der Station zu arbeiten u. meine unvollendeten biologischen Studien zu beenden.
Ich hatte gehofft, daß meine Frau mich abholen würde, aber da wir keine rechte Aufsicht für unsere Kinder finden, wird sie wohl hier bleiben müssen. ||
Leider las ich in einer Karte von Duisberg aus Assuan, daß Philippi dort schwer krank liege, so daß man an seiner Genesung zweifelt. Das wäre doch fürchterlich! Denn wir konnten noch viel tüchtige Leistungen von ihm erwarten.
Ich selbst fühle mich hier andauernd wohl. Wir haben auch so angenehmen Verkehr, einen zweiwöchentlichen Familienabend mit Naturforschern u. ein sehr anregendes Lesekränzchen mit Kurators u. einigen Familien von den Geisteswissenschaften, daß wir uns immer besser hier einleben. Hellmut wird hoffentlich nach V versetzt, Sigrun ist ein kleines intelligentes Mädel. Sie müssen im Sommer einmal kommen um zu sehen, wie es uns ergeht.
Empfehlen Sie uns Ihrer verehrten Gattin u. bewahren Sie Ihre Freundschaft
Ihren
treuergebenen
Walthers.