Johannes Walther an Ernst Haeckel, Halle, 9. Mai 1908

GEOLOGISCHES U. MINERALOGISCHES INSTITUT

AN DER UNIVERSITÄT HALLE

HALLE A. S., 9 V 1908

DOMSTRASSE 5.

Liebe Excellenz!

Ihr lieber Brief war mir u. meiner Frau eine sehr große Freude. Denn ich wüßte außer Ihnen Niemand, der meinen wissenschaftlichen Lebensgang, und die Rolle, die dabei meine Erdgeschichte spielt, so genau überschauen kann, als Sie. Und gleichzeitig kenne ich Niemand, der so wie Sie in die Vergangenheit und in die Zukunft der Biologie zu schauen vermag, u. der es mit mir fühlen || kann, welch‘ schweres Ringen mit Stoff, Darstellung u. Aufgabe dieses neue Buch bedeutet.

Habe ich doch wiederholt daran verzweifelt, ob es mir überhaupt gelingen würde, das Buch zu Ende zu bringen. Nun ists da, und läuft in die Welt hinaus – ich aber stehe gespannt, und bin neugierig, wie und wann es wirken wird.

Jedenfalls werden doch mehrere Jahre vergehen, ehe ich beurtheilen kann, ob ich damit Einfluß gewinne.

Mein Verleger, dem ich Ihren Brief sandte, bestürmt mich Sie zu bitten, ob Sie nicht ein paar Zeilen über || mein Buch in der Deutschen Rundschau veröffentlichen möchten – aber ich weiß, wie kostbar Ihre Zeit ist, und wage nicht seine Bitte zu der meinen zu machen.

Was Sie mir sonst über sich schreiben, klingt recht schmerzlich. Daß die Ihrigen krank waren, daß L. Schultze neue Aufgaben übernehmen mußte, thut mir um Ihretwillen recht leid. Ich lese, daß Rauther nach Jena geht – hoffentlich ist er Ihnen ein guter Ersatz; ich könnte mir’s denken.

Ich habe von Pflug Hartung den Auftrag erhalten, für die Weltgeschichte eine geologische Einleitung zu schreiben; und hoffe daß es mir gelingt, die Palaeogeographie der mittleren Tertiärzeit, sowie diejenige des Diluriums auch kartographisch einigermaßen gut darzustellen. Als Überschrift dachte ich mir: Der Schauplatz der Weltgeschichte. ||

Können Sie mir irgend einen Rat geben, oder haben Sie für Ihre folgenden Darstellungen besondere Wünsche?

Meine hiesige Stellung ist mir jeden Tag sympathischer. Im Institut sind mir in den Osterferien große Umgestaltungen ausgeführt worden, elektrisches Licht in dem Hörsaal, sowie Lichtbild-Apparat; und meine Vorlesungen sind wieder recht gut besucht. Mir fehlen ja hier Ihre Schüler, die in Jena meine Vorlesungen füllten, aber dafür habe ich schon einen ganz fleißigen Stamm von Geographen u. Landwirthen. 5 Doktorarbeiten sind im Gang, und gestern habe ich wieder wegen Raum-Mangel einen Doktoranden abgewiesen.

Da uns im Sommer ein frohes Ereigniß bevorsteht, leben wir sehr still || und beschäftigen uns eifrig mit unserem Haus, das bis Ende Juli fertig sein soll. Ich glaube, Sie werden Ihre Freude daran haben, und wir werden uns innig freuen, wenn wir unseren lieben väterlichen Freund einmal da beherbergen können. Es ist eigentlich der schönste kleinere Bauplatz von ganz Halle, wir sind über den Ankauf immer froher. Die Collegenverhältnisse im Institut sind sehr angenehm. Zwar gibts ja immer einmal eine kleine Gelegenheit zu Mißverständnissen, allein ich komme mit allen vortrefflich aus, u. weiß meine Aufgaben || durchzusetzen. Selbst Lüdecke ist mir ergeben, u. wir arbeiten uns gut in die Hände.

Die Umtaufe meines Institutes hat mich besonders erfreut. Ich habe es in Berlin rasch erreicht.

Für nächsten Winter habe ich ein Publikum

Die Lehre Darwin’s im Lichte geologischer Forschung

angeregt. Nach den Erfahrungen im letzten Winter rechne ich wieder auf 300 Zuhörer. Daneben lese ich aus Die Geologischen Grundlagen der deutschen Landschaft 3stündig, da ich dieses Thema für mein neues Schulbuch durcharbeiten muß. Jetzt lese ich Erdgeschichte vor etwa 25 Mann, und ein Anfängercolleg vor 40. ||

Ganz im Argen liegen hier die naturwissenschaftlichen Vereinsangelegenheiten.

Man hat mich, ganz gegen meinen Willen, zum II. Vorsitzenden der Naturforscher Gesellschaft erwählt. Vielleicht kann ich nächstes Jahr, wenn ich etwas freier bin, eine kleine Reform durchsetzen.

Zum Fest nach Jena komme ich mit großer Freude.

Mit herzlichen Grüßen von meiner Frau an Sie und den freundlichsten Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin bleibe ich

Ihr

treu ergebener

Johannes Walther

Brief Metadaten

ID
15780
Gattung
Brief ohne Umschlag
Institution von
Geologisches u. Mineralogisches Institut Halle
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
09.05.1908
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,3 x 22,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15780
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; Halle; 09.05.1908; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15780