Jena 3.II 1904
Lieber verehrter Herr Professor!
Durch eine Karte von Frau Dr. Buchholz erfuhren wir zu unserem lebhaften Bedauern, daß Ihre verehrte Frau Gemahlin wieder leidend ist. Hoffentlich wird sie recht bald wieder soweit erholt sein, daß sie wieder die schöne Rivieraluft mit Ihnen genießen kann.
Wir haben die Jahreswende in Dresden || verlebt, u. dort den 70 Geburtstag meiner Schwiegermutter mit vielen Kindern u. Enkelkindern gefeiert. Meine Frau erholt sich langsam, so daß wir hoffen, Ende März für einige Wochen nach Florenz gehen zu können. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um in Verona, Bologna u. Florenz die geologischen Sammlungen zu studiren u. einige Exkursionen zu machen.
An meinem Buch arbeite ich eifrig, u. fördere es diesen Winter ein gutes Stück – aber ich bin noch weit vom Ende. Es ist sehr schwer 1000 Einzelheiten, die schon nach bekannten Grundsätzen || geordnet sind, völlig umzuprägen, damit sie in einer neuer Gruppierung neue Gesichtspunkte ergeben.
Von Müllers Unglück haben Sie wohl gehört? D. h. der älteste Sohn in Greifswald ist von seinem Schlaganfall soweit wieder erholt, daß er anfängt geordnete Briefe zu schreiben. Die gute Dr. Zsigmondy will ihn jetzt in ihrem Hause verpflegen. Der alte Herr hatte es seinen Töchtern 2 Wochen lang verschwiegen!
Im Referirabend hat Ihr Brief viel Freude gemacht; wir freuen uns sehr wenn Sie wieder unter der herlichen Tafelrunde sitzen.
Hier ist jetzt viel Vorbereitung für den großen Maskenball der Rosengesellschaft, der im neuen Volkssaal gehalten werden soll. Der Vortrag Ihres Herrn Schwiegersohns war sehr interessant. Ich kann mich allerdings bisher || zwar nicht überzeugen lassen, daß die Oszillationen der äquatorialen Gletscher gleichzeitig mit der Eiszeit gewesen sind, aber trotzdem sind seine Resultate sehr bemerkenswerth. Ihre Frau Tochter sieht blühend aus u. es thut uns sehr leid, daß wir den Abend nicht mit ins Deutsche Haus zur Nachsitzung konnten, aber meine Frau darf solche Dinge noch nicht unternehmen. Unser Hellmut entwickelt sich gut weiter, u. genießt die schöne Schlittenbahn in der Sedanstraße. Leider thaut es seit wenigen Tagen.
Meine Frau läßt Ihnen recht herzliche Grüße senden u. wir wünschen Ihrer Gattin eine recht baldige Genesung
Mit ihr grüßt Sie
Ihr treuergebener
Joh. Walther.