Johannes Walther an Ernst Haeckel, Manitou Springs, 20. September 1897

WITH

RAYMOND & WHITCOMB PARTY

ON PULLMAN PALACE

VESTIBULED TRAINEN ROUTE

ACROSS THE CONTINENT

Manitou Springs, Colorado

20 Sept. 1897.

Hochverehrter Herr Professor!

Schon längst hätte ich gern Ihnen einmal geschrieben, aber da ich Sie in Schottland wußte, mußte ich darauf verzichten. Jetzt werden Sie wohl wieder in Jena sein, u. da möchte ich es mir nicht versagen, Ihnen aus den Rocky Mountains meine herzlichsten Grüße senden. Nachdem der, im Ganzen ziemlich langweilige Congreß und seine vielen Receptions abgeschlossen war, begann unsere Excursion am 2ten September u. ist bis hierhier ausgezeichnet verlaufen. Ich und viele || Ihrer Verehrer bedauern sehr, daß Sie nicht dabei sind, denn die Reise ist so großartig u. einzig in ihrer Art, daß man sich selbst beneiden möchte um die Theilnehmerschaft an derselben.

Unter Leitung der sachkundigsten Fachgenossen, ohne alle Reisebeschwerde, ohne Sorge um Beförderungsmittel, fast ohne Portemonaie reisen wir von einem Glanzpunkt zum Andern, bisher immer von herrlichstem Wetter begünstigt.

Wenn wir in eine Stadt kommen, so empfängt uns ein Comite am Bahnhof um uns mit Wagen in den Straßen herumzuführen, die Minen u. Hütten zu zeigen, uns mit Allem bekannt zu machen u. mancher Deutsche freut sich so viele Landsleute unter uns zu finden. In Ledville lernte ich einen Ihrer Schüler Dr Hausmann kennen, der den Arzt an den Nagel gehängt hat und in Minen arbeitet. Er läßt Sie herzlich grüßen.

6 Tage reisten wir zu Wagen u. Pferd durch den Nationalpark. Dann waren || wir 3 Tage in Salt Lake City, wo wir ins Mormonentabernakel zu einem herrlichen Monsterconcert eingeladen wurden.

Gestern klopften wir untersilurische Fische (ich habe Ihnen auch ein schönes Stück geschlagen) heute fuhren wir mit der Zahnradbahn auf den 14,140‘ hohen Pike’s Peak von dem wir eine ungetrübte großartige Rundsicht auf die Rocky Mountains genoßen.

Wir sind 90 Theilnehmer, darunter 10 Damen und die Wagen unseres Zuges sind daher etwas überfüllt, auch das Essen ist nicht besonders, aber solche Kleinigkeiten treten zurück gegenüber den wahrhaft großartigen Eindrücken, die wir empfangen. In den Bad Lands und in der Salzseewüste hatte ich Gelegenheit meine Wüstenstudien fortzusetzen. Von Flagstaff am Colorado gehe ich nach Los Angeles, um die Mohave Wüste u. den Pacific zu sehen. Dann durch die Gilawüste nach Sierrablanco in Texas wo mich ein deutscher Geologe erwartet um mich 2 Wochen in den Wüsten von Westtexas herumzuführen. Da ich von dort noch einige Tage nach Cambridge gehe, so wird sich meine Abreise etwas || verzögern u. ich werde erst an Magnificenz schreiben müßen, damit ich mit Ruhe erst eine Woche später meine Vorlesungen beginnen kann.

Morgen trennt sich unsere Excursion in Denver. Etwa 35 (davon 18 Deutsche) gehen nach dem Colorado Cañon, die Andern zurück.

Hoffentlich befinden Sie sich mit Ihren verehrten Angehörigen wohl. Bitte empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin. Professor von Zittel u. Geheimrath Credner lassen Sie freundlichst grüßen.

In der Hoffnung, Sie Anfang November wohlauf in Jena wiederzusehen

Ihr dankbar ergebener

Johannes Walther

Brief Metadaten

ID
15763
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Colorado
Entstehungsland zeitgenössisch
USA
Datierung
20.09.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,4 x 20,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15763
Zitiervorlage
Walther, Johannes an Haeckel, Ernst; Manitou Springs; 20.09.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15763