Jena d. 11 II 97
Lieber Herr Professor!
Zu Ihrem bevorstehenden Geburtstage muß ich Ihnen schon heute meine herzlichsten Glückwünsche absenden, damit sie rechtzeitig in Ihre Hände gelangen. Von Herzen wünsche ich, daß nach den letzten schweren Jahren, nun für Sie und die verehrten Ihrigen eine Zeit froher Jahre beginnen möge, und daß Sie von dieser Reise neugestärkt, Ihre Frau Gemahlin in bestem Wohlsein zurückkehren möchten. ||
Mir selbst aber wünsche ich, daß es mir vergönnt sei, mit Ihnen ein schönes Stück Morgenland zu sehen, und wissenschaftlich wie künstlerisch zu genießen.
Das Semester geht langsam zu Ende, und ich freue mich auf die freie Zeit, um dann fleißig an meiner vorjährigen Rede für den Druck zu arbeiten, und gleichzeitig meinen geographischen Vortrag auszuführen.
Nächste Woche ist Melanchthonfeier in der Aula, mit Frack und Orden angesagt. Das Stiftungsfest des N. W. V. war sehr hübsch, sogar aus Holland waren alte Herrn gekommen.
Das Literarische Museum wird nach endgültigen Beschlüßen mit der Lesehalle vereinigt, bleibt aber nur für solche || Mitglieder zugänglich, die mindestens 10 Mark Beitrag zahlen, während die Mitglieder des Literarischen Museums, sofern sie nicht die Mappe wollen, 8 Mk zu zahlen haben.
Von Gädechens ist endlich auch Nachricht hierher gelangt. Er schreibt, daß er schon hie und da ein Abendschöppchen trinken dürfte. Hofbuchdrucker Pohle hat an der Schulter ein Carcinomrecidiv. Vorige Woche hat Biedermann einen Vortrag bei Hof gehalten. Demnächst soll Drews folgen. Thomae hat an Garteninspector Maurer, der seine Rechnung an Herrn Hofrath Thomae adressirt hatte, einen groben Brief (eingeschrieben!) geschickt, in dem er ihm des Mangels an Achtung beschuldigt, weil er ihn nicht Geheimer Hofrath titulirte. Dr. Buchholz schrieb mir vorgestern glückselig aus Pulkowa wo er gegenwärtig arbeitet. ||
Mit den besten Wünschen für reiche Plankton-Ausbeute, und freundlichen Grüßen an Dr. Schultze bitte ich Sie, mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin bestens empfehlen zu wollen, und bleibe
Ihr
treu ergebener Schüler
Johannes Walther