Richard Semon an Ernst Haeckel, München, 17. Dezember 1909

MARTIUS-STRASSE 7

MÜNCHEN 23.

17/XI, 09.

Hochverehrter Herr Professor.

Ich bin aufgefordert worden, im ersten (ev. auch zweiten) Bande einer jahresperiodischen Schrift, die von nächstem Sommer an unter dem Titel: „Ergebnisse der gesammten Naturwissenschaften“ (mit Einschluss der Medizin) erscheinen soll, in ausführlicher Weise den „Stand der Frage nach der Vererbung erworbener Eigenschaften“ darzustellen. Es sind mir bis zu 4 Bogen zur Verfügung gestellt worden. Obwohl ich mit anderen Arbeiten beschäftigt bin und obwohl ich bereits vor 3 Jahren den Gegenstand ausführlich behandelt habe, halte ich es angesichts neuer Tatsachen, die || pro und contra verwertet werden, und angesichts der grossen Verwirrungen, die über diese Frage immer noch in den Köpfen herrscht (der Kopf des sonst so vortrefflichen Arnold Lang, wie er ihn in seinem Vortrag „Über Vererbungsversuche“ enthüllt, nicht ausgeschlossen), a angesichts alles dieses halte ich es für angebracht, mich noch einmal und diesmal weit ausgreifend dieser Aufgabe zu unterziehen. – Nun erwähnten Sie bei Ihrem Hiersein im Sommer zwei hierauf bezügliche Schriften

1) Ornstein. Über Zirkumzision Im Archiv f. Anthropologie

2) Müller de la Fuentes (Titel d. Arbeit sowie Art d. Erscheinens?)

Dürfte ich Sie vielleicht bitten, || mir genauere Zitate über diese beiden Arbeiten mitzuteilen oder auch, wenn Sie sie in Separatabzügen besitzen, für kurze Zeit leihweise zuzuschicken? Ich würde Ihnen sehr dankbar dafür sein. Es handelt sich ja um einen Krieg in guter Sache.

Uns geht es gut, und wir sind beide fleissig an der Arbeit. Meine Frau übersetzt eben die beiden Essays von Charles Darwin aus dem Jahren 1842 u. 1844, die Francis Darwin in diesem Sommer unter dem Titel „The Foundations of the Origin of Species“ herausgegeben hat. Die Übersetzung soll im nächsten Sommer bei Teubner erscheinen.

Ich rücke langsam aber stetig mit meinen Arbeiten vorwärts. Wir hoffen sehr, Sie spätestens in || diesem Sommer wieder in München zu sehen. Hoffentlich hat sich mit dem, wie man hier sagen würde „zwidren“ Plate ein Modus vivendi gefunden. – Über Weihnachten haben wir vor, diesmal nach Berchtesgaden in den Schnee zu gehen. Indem wir Ihnen und den Ihren ein recht frohes Weihnachten und glückliches neues Jahr wünschen

Ihr stets treu und dankbar ergebener

Richard Semon.

Mit ausserordentlicher Teilnahme und tiefstem Bedauern haben wir von der Erkrankung unseres lieben Giltsch gehört. Seiner eigenen Beschreibung nach, (obwohl er es selbst nicht zu wissen scheint) handelt es sich wohl um eineb leichte Apoplexie?! Ich muss sagen, das [!] mir das sehr nachgeht.

a gestr.: al; b korr. Aus: einen

Brief Metadaten

ID
15035
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
17.12.1909
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,2 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 15035
Zitiervorlage
Semon, Richard Wolfgang an Haeckel, Ernst; München; 17.12.1909; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_15035