Max und Fanny Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 9. Juni 1918

Heidelberg, 9.6.1918.

Hochverehrter und lieber Freund!

Bei der Rückkehr aus dem Sanatorium (bei mir auch Senatorium) kam uns als erster Gruß Dein lieber, gütiger Brief entgegen, für den wir Dir von ganzem Herzen danken. Solche Frische und Kraft wehte uns aus ihm entgegen, daß wir fest überzeugt sind: ein Herz, das über solche Mittel noch verfügt, a und ein Gehirn, das solche Leistungen aufweist, versprechen noch eine Dauer, die nach Jahren zu bemessen ist. Auf die gute Erfüllung dieser Prognose und innigen Hoffnung senden wir Dir die herzlichsten Wünsche.

Freilich muss jetzt ein Jeder mit diesem durch Englands Gemeinheit entfesselten und durch unsere Borniertheit in politices ganz ungenügend abgewehrten || Kriege und seinem verhängnisvollen Einflusse auf unsere Körper und ihre Leistungen rechnen, und diese Einflüsse machen sich wenigstens bei mir von Tag zu Tag immer mehr geltend. Ich hoffe aber doch, daß Du und wir – trotz Wilhelm II., der jetzt das religiöse Elend haben und mit gerungenen Händen auf den Knien liegen soll, und trotz des schädlichen Hervordrängens so vieler unfähiger und gefährlicher Persönlichkeiten – doch noch einen guten deutschen Frühling erleben werden. Die deutsche Natur ist doch zu kräftig und gut geartet, als daß sie durch das Zusammenwirken so vieler Pfuscher, die ja doch nur einen Bruchteil bilden, vernichtet || werden könnte. Die von unseren Helden und Vaterlandsverteidigern vollbrachten Taten werden ihre werbende Kraft auf der ganzen Erde ausüben und trotz Haß und Niedertracht unserer Feinde ein gutes Werk des Wiederaufbaus vollbringen. Vieles ist freilich auf lange Zeit verloren, vieles wird schwere Opfer kosten, – namentlich die von den Ultramontanen errungenen Gewinne und die von ihnen noch einzureichende Rechnung sind bitter.

Wir waren unweit von hier (2½ Stunden Eisenbahn) in einem Sanatorium mit guter Kost in Gundelsheim am Neckar, einem kleinen Neste im Paradies des Muschelkalkes, auch mit ähnlicher Gegend wie unser geliebtes Jena, freilich mit viel magerer Flora, die unsere alten und lahmen Beine nicht genügend heben konnten. Wir || lernten dort auch einen Mitpensionär Regierungsrat Wessinger aus Ludwigsburg bei Stuttgart kennen, einen ausgezeichneten Menschen und glühenden Verehrer von Dir, der auch in der Sache des Monismus in Schwaben sehr tätig gewesen ist, und Dir gern schon geschrieben haben würde, wenn er es gewagt hätte. Wir haben ihm geraten, das zu tun; er werde Dir damit gewiß Freude machen. Verzeihe unsere Eigenmächtigkeit.

Wir senden Dir die herzlichsten Grüße und Wünsche!

Dein M. Fürbringer.

[Nachschrift von Fanny Fürbringer]

Auch ich möchte Ihnen noch selbst einen herzlichen Gruß schicken u. sagen, wir oft wir von der „glücklichen Zeit“ unseres Lebens im lieben Jena sprechen; wo wir mit Ihnen im Münchenroderb Grund um die Wette Steine warfen u. dann im heitersten, manchmal auch ernsten Zusammensein auf Forst und || Schweizerhöhe, oder im „grünen Baum zur Nachtigall“ in Cospeda Rostbrätchen und Truthähnchen verzehrten, (u. wie gut schmeckten die!) oder von der Ammerbacher Platte niederschauten. Es thut wohl im Alter, solch schöne frohe Erinnerungen zu haben, die alle so innig mit der Natur verwoben sind. Und wem verdanken wir Sie? Doch nur Ihnen, der Sie unseren Mittel- und Anziehungspunkt bildeten.

So drückt Ihnen in alter Anhänglichkeit und Dankbarkeit die Hand Ihre alte Freundin

Fanny Fürbringer.

a gestr.: noch verfügt; b korr. aus: Münchenrhoder

Brief Metadaten

ID
1413
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
03.06.1918
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
5
Umfang Blätter
3
Format
11,5 x 18,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1413
Zitiervorlage
Fürbringer, Max an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 03.06.1918; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1413