Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 3. Juni 1910

Heidelberg, 3.6.1910.

Hochverehrter und lieber Freund!

Durch Engelmann erhalte ich Deinem Auftrage die neue prächtige Auflage Deiner Anthropogenie, die ebenso sehr Zeugnis von dem großen Erfolge Deines Werkes wie von Deiner unverminderten Arbeitskraft ablegt. Sei beglückwünscht und herzlichst bedankt. Ich freue mich sehr auf die nähere Bekanntschaft mit ihr.

Hoffentlich treffen Dich diese Zeilen im besten Wohlsein, so frisch, wie wir die Freude hatten Dich hier zu sehen. Und hoffentlich leistet Dir Deine liebe Frau || im gleichen Wohlsein Gesellschaft. Möchten auch die anderen Verhältnisse, von denen wir durch Dich so traurige Kunde erhielten, gebessert sein!

Unsere Reise nach Ägypten war im großen und ganzen ein Reinfall. Ich habe immer gerade so wie Du eine Abneigung gegen dieses öde Land mit seiner alten raffiniert schlauen Bevölkerung gehabt; aber bornierte Schilderungen von Verwandten und hirnverbrannte Verhimmelungen der Reisebücher haben uns verlockt. Die dortige Kunst ist ja großartiges, z. T. an Größenwahnsinn erinnerndes, ist auch der Ausgang für die griechische || und ihrer Epigonen Kunst geworden, auch von den Modernaten gehörig bestohlen worden. Aber nichts hat eigentliche Schönheit, nichts spricht zum Herzen. Und die Natur die ödeste und traurigste, die wir kennen gelernt; ich kenne nichtsa auf der mir bekannten Welt, was hinter Ägypten zurückstände. Wie schön die Welt sein kann, sahen wir in Athen, am Bosperus und an unserem herrlichen deutschen Frühling.

Daß ich die verborgenen, abseits liegenden Schönheiten bei Konstantinopel kennen lernte, verdanke ich allerdings Ägypten, d. h. einer dort aufgelesenen Dysenterie, die mich für zwei Wochen in das Konstant. || deutsche Krankenhaus b führte. Von dort machten wir mit dem deutschen Oberarzt entzückende Partien und sammelten Blumen in solcher Fülle, wie selbst in Jena nicht. Leider war ich noch nicht wohl genug, um den Ausflug nach Brussa und zum bithyn. Olymp zu machen.

Wir senden Dir und Deinen Lieben herzlichste Wünsche und Grüße.

Dein alter

M. Fürbringer.

a mit Einfügungszeichen eingef.: nichts; b gestr.: für 2 Wochen

Brief Metadaten

ID
1387
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
03.06.1910
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,5 x 17,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1387
Zitiervorlage
Fürbringer, Max an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 03.06.1910; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1387