Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 23. April 1903

Heidelberg, 23.4.1903.

Lieber und hochverehrter Freund!

Herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief, den wir mit größter Freude empfingen. Freilich brachte er zugleich zu unserem innigsten Bedauern nicht rein gute Nachrichten. Von ganzem Herzen wünschen wir, dass es Deiner lieben Frau und Tochter bald besser gehen möge. Dich betreffend hören wir wohl die Botschaft, dass auch Du nicht ganz zufrieden mit Deinem Wohlbefinden bist, - allein es fehlt der Glaube. Schon im Jahre 1888, als wir nach Jena kamen, warst Du der „Jammergreis“, und wie hat dieser uns alle an Frische und unermüdeter Jugendkraft gezeigt, was hat er seitdem geleistet und wird er noch leisten! ||

Anbei Minot, den Du nach Belieben behalten willst, so lange Du ihn brauchst. Leider ist das Alles, was ich geben kann. Von mir selbst aus Dir von Ontogenie zu sprechen, wäre frevelhaft. Zudem habe ich Entwicklungsgeschichte seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gelesen und bin dementsprechend, da die Zeit für privates Weiterstudium mangels des Collegzwanges fehlte, darin gehörig zurückgeblieben. Ich hoffe von Deiner neuen Auflage tüchtig zu profitiren.

Wir sind von der Reise glücklich zurückgekehrt und haben schöne Erinnerungen mitgebracht. Leider traf mich hier wieder die ganze Misere unangenehmes, z. Th. ganz bureaukratisches Arbeiten (Leichenfrage, Erweiterungspläne der Anatomie, Neueinrichtungen etc.) an und drückte mich gehörig zu Erde. ||

Gegenbaur traf ich unverändert wieder. Im Januar und Februar war sein Befinden schon etwas aufwärts gegangen. Jetzt sehnt er sich sehr nach dem Frühling, der sich zunächst mit Regen und schlaffem Klima ankündigt.

Meine Frau und Brausens sowie meinem Sohne geht es gut. Alle grüßen herzlichst. Auch hoffen wir immer auf Deinen baldigen Besuch.

Herzlichste Grüße und Wünsche von Haus zu Haus

Dein ganz ergebener

M. Fürbringer.

Noch eine Bitte. Rabl wird zum hiesigen Anatomencongress kommen, wie es scheint, um mir auf mein „kleines Schriftchen“ zu antworten und um den Nachweis zu führen, dass es mit uns und unserer Richtung nichts ist. Bei || diesem aufgeregten und rücksichtslosen Menschen ist manches zu erwarten. Etwa 1895 oder 1896 schrieb er Dir einen Brief, in welchem er Dir betreffend Deine Phylogenie gehörig die Leviten las und zugleich angab, dass Gegenbaur seine irrigen Ansichten gegen bessere Überzeugung nur aus Rechthaberei vertrete. Ich wäre Dir herzlichst dankbar, wenn Du uns diesen Brief senden wolltest, damit ich ihn kurz einsehen und mich genau über ihn vergewissern könnte. Du erhältst ihn sofort zurück, auch werde ich ganz über ihn schweigen, wenn Du es wünschst. Ich brauche aber die Einsichtnahme zur Sicherung meines Gedächtnisses, um so mehr, als ich unter der Hand hörte, dass er sich privatim in noch viel rücksichtloserer Weise über unser aller Charakter geäussert haben soll. Verzeih die Bitte und erfülle sie bitte.

Dein

M. F.

Brief Metadaten

ID
1364
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
23.04.1903
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,4 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1364
Zitiervorlage
Fürbringer, Max an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 23.04.1903; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1364