Alexander Sokolowsky an Ernst Haeckel, Hamburg, 17. April 1906
Hamburg d. 17. IV. 06.
Abendrothsweg: 65.
Hochverehrter Herr Professor!
Beifolgend übersende ich Ihnen einige Bremsenlarven. Dieselben wurden den Urpferden, die Herr Hagenbeck seiner Zeit aus den Steppen Centralasiens importierte, aus den Nasengängen gesogen. Es handelt sich dabei also nicht um die Pferdebremse, die als Larvea im Magen der Pferde lebt, sondern um eine verwandte Art, deren Larven in den Nasengängen des Urpferdes (Equus preschewalskii) wohnt.
Ausserdem sende ich Ihnen einen Embryo, der Sie gewiss interessieren wird. Es ist dieser ein Bastard-Embryo zwischen Sumatra-Tiger als Vater X mit indischem Leopard als Mutter. Obwohl es sich || also nicht um einen artreinen Embryo handelt, so nehme ich an, dass derselbe von allgemeinen Gesichtspunkten aus für Sie Interesse hat, da Sumatra-Tiger u. Leopard im System doch ziemlich weit auseinanderstehen. Interessant ist hierbei, dass der Sumatra-Tiger von den verschiedenen Tigersorten, die vorkommen, die kleinste Form ist, demnach also in Bezug auf Grösse des Körpers dem Leopard gegenüber eine Begattung eher zulässt, als dieses durch einen grossen Bengal-Tiger ermöglichst werden könnte. Das zoologisch Interessante liegt hier wohl in der Tatsache, dass Streifen- und Biegelkatze zusammen bastardierten. Gewiss haben Sie von Herrn Hagenbeck’s Erfolgen auf dem Gebiete der Bastardierung vernommen und || wissen, dass sich zur Zeit riesige Exemplare von Löwen- und Tigerbastarden im Tierpark befinden. Sollten Sie hierfür besonderes Interesse haben, um eventuell den Studenten Abbildungen solcher Bastarde zu zeigen etc., so schreiben Sie mir bitte hierüber, ich werde Ihnen dann Photographien derselben, sowie auch von Zebroiden übersenden.
Mit hochachtungsvollen Grüssen
Ihr treu ergebener Schüler
A. Sokolowsky.
a eingef.: als Larve