Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Jena, 25. September 1899

Jena, 25.9.1899.

Lieber und hochverehrter Freund!

Dein lieber Brief war uns eine grosse Freude in trüber Zeit und senden wir Dir die allerherzlichsten Wünsche für baldige volle Genesung (die man übrigens in Deinem Briefe trotz Deiner Versicherung, dass sie erst beginne, schon vollendet findet). Möge Dein Aufenthalt in dem sonnigen Corsica mit seiner leuchtenden Schönheit ein in jeder Hinsicht glücklicher und erfolgreicher sein. Wie gern wären wird dort! Hier ist das Wetter seit 2 Wochen über alle Maaßen scheußlich; kalt, regnerisch, trübselig, der miserabelste November, den wir je erlebt.

Wir sind vor etwa 8 Tagen von Bad Elster zurückgekehrt. Meine Frau hat mit unserem Jungen dort traurige 7 Wochen verbracht; ich habe einen Theil ihrer Zeit dort getheilt. Auch war ich 8 Tage im Böhmer Wald; die Reise war aber nicht vom Wetter begünstigt, auch || hingen die Gedanken zu sehr in Elster, wo es gerade damals mit Karl gar nicht gut ging. Wir sind wenigstens froh, wieder zurück zu sein, und wollen hoffen, dass das Weihnachtsgeschenk das uns die dortigen Badeärzte in Aussicht stellen, Karl’s Genesung, auch wirklich kommt. Jetzt ist noch gar nicht daran zu denken; der arme Kerl kann nur aus dem Bett getragen werden, und dieses Vergnügen dauert nun seit Mai. Man bekommt einen Vorgeschmack von der Ewigkeit und verliert nach und nach jedes Zutrauen, dass eine Änderung zur Besserung eintreten könnte.

Aber verzeihe, dass ich in Deinen Sonnenglanz mit so trübseligem Nebel komme.

Von Jena kann ich gar nichts erzählen. Ausser dem Curator, mit dem ich weiter über den unendlich langen und breiten Bothriocephalus der Leichenfrage verhandeln musste, und ein paar Collegen der medicinischen Facultät habe ich keine Seele gesehen und gesprochen. Die paar Tage, die mir bis zum Beginn der mili- || tärärztlichen Curse noch bleiben, will ich zum Abschlusse einer kleineren Arbeit zu verwenden suchen. Krehl ist nach Marburg berufen und wird uns Mitte October verlassen. Es ist ein Segen für ihn, für unsere Facultät ein großer Verlust, denn einen so reinen und aufopferungsfähigen Charakter, eine solche Arbeitskraft und einen so intelligenten und wissenschaftlich ausgebildeten Polikliniker bekommen wir vermuthlich nicht wieder. Verworn theilte ich mit, dass Du Ruge leider nicht getroffen; nach Biedermann’s Äusserungen will mir scheinen, daß Gaule sich zunächst wieder wie ein völlig Gesunder gebahrdet und daß die Züricher heilfroh sind, dass Frey wegberufen sind. Heil ihnen; Geld sparen sie dabei, die Studenten sind natürlich Nebensache.

Sobald ich abkömmlich bin, denke ich noch auf ein paar Stunden zu Gegenbaur zu gehen. Ich freue mich sehr darauf, ihn wiederzusehen.

Doch nun unsere innigsten Wünsche und herzlichsten Grüsse

Dein treu ergb.

M. Fürbringer.

Brief Metadaten

ID
1324
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
25.09.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1324
Zitiervorlage
Fürbringer, Max an Haeckel, Ernst; Jena; 25.09.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_1324