Simeone Adamo de Syrski an Ernst Haeckel, Triest, 13. November 1974

Trieste d. 13. Nov. 1877.

Hochgeerehrter Herr Professor!

Soeben erfahre ich von Dr Brettauer, daß Sie zu Weihnachten nach dem Rothen Meere, selbstverständlich über Triest reisen. –

Ich hätte mehrfache Gründe, Sie zu versuchen, der schönen, lieben Stadt Triest wenigstens einen Tag zu widmen – aus Liebe zu ihr, oder ihr zur Liebe. Ich könnte mich dabei zwar darauf berufen, daß bereits Buddha und nach ihm der Nazarener die Nächstenliebe gepredigt haben; da aber diese, ohne die Motive dieser Liebe darzulegen, ebensowenig Jemanden zum Lieben seines || Nächsten bewogen, als Socrates mit seinem bekannten γνῶθι σέαυτoν, ohne die Anatomie, Physiologie etc. etc. der Erkenntniß des Menschen nahe gebracht hat, so will ich lieber das national-ökonomische Motiv der Nächstenliebe, d. i. sich selbst zur Liebe, in Anspruch nehmen: Herr Professor haben Freude daran, die Erkenntniß der Natur unter die große Volksmenge zu verbreiten. – Es wird Sie daher freuen, zu erfahren, daß wir hier in Triest einen Verein, laut der beiliegenden Statuten, zu demselben Zwecke in’s Leben gerufen haben und wenna Ihre Anthropogenie eine sachkundige Besprechung || in der Triester-Zeitung von einem, vor nicht langer Zeit, noch anragirtem Humanisten, Dr Juris und in Triest, wie mir scheint, bisher eine größere Verbreitung als in Berlin gefunden hat; so hat man dieß sicherlich unserem naturalisirenden Einfluße zu verdanken, dem Sie aus Liebe zur Sache Ihre Unterstützung gewiß nicht versagen werden.

Zu dem Zwecke erlaube ich mir, Herrn Professor zu ersuchen, in unserem Verein, der seinen Sitz im Museum hat, einen Vortrag selbst von ½ Stundeb halten zu wollen. – Wenn Sie mir es gefälligst zusagen, || so will ich dies an die große Glocke hängen, daß wirc Sie in Oesterreich, wenn auch nicht in persona, so wenigstens in effigie haben. –

Indem wir die Errichtung eines Aquariums in Triest anzuregen gedenken, wo einige Räume für wissenschaftliche Untersuchungen eingerichtet würden – und auf die Art auch Herrn Professor in Triest öfters zu sehen hoffen – so wäre es vielleicht gut, Einiges über die Nützlichkeit und Nothwendigkeit der Naturwissenschaften und über die Vortheile, welche dem Naturstudium in Aquarien am Meere bringen könnte, zu sagen – fast ohne Vorbereitung.

Ich bitte bei Ihrer Ankunft in Triest bei mir abzusteigen – wir haben genug Raum. –

Ich verbleibe mit ganz besonderer Hochachtung

Ihr ergebenster

Dr Sysrki

P.S. Ich bitte um gefällige Nachricht von dem Tag der Ankunft. – Sie werden Aal-Männchen, interessante Spongien etc. sehen können

a eingef.: wenn; b korr. aus: Stunden; c eingef.: wir

Brief Metadaten

ID
12814
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
13.11.1874
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12814
Zitiervorlage
Syrski, Simeone Adamo de an Haeckel, Ernst; Triest; 13.11.1874; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_12814