Lemberg d. 2. Febr. 1877
Hochgeehrter Herr Professor!
Indem ich so oft an Sie denke und zwar um so öfters, als mich auch meine Schüler, die mir auf dem richtigen Wege mit großem Eifer folgen, nach diesem oder jenem Ausspruche des Prof. Haeckel, ja sogar nach dieser oder jener Eigenschaft, „wie sieht er aus, wie alt ist er“ so oft fragen und ich kaum Hoffnung habe, Sie bald zu sehen; so will ich Ihnen wenigstens ein Lebenszeichen von mir geben. Wie Sie wahrscheinlich wissen, bin ich fast schon ein Jahr in Lemberg, als Prof. an der Lemberger || Universität angestellt. Außerdem bin ich hier auch in anderen Richtungen thätig. – Ich halte unter Anderem einen Cyclus von Vorträgen über meine Reise um die Erde, wo ich nicht etwa die banalen Dinge anderer Reisebeschreibungen erzähle, sondern die Erkenntniß der Natur beibringe, vorsichtig aber nachdrücklich gegena die socialen Krebschäden der Menschheitb losziehe und dabei ein zahlreiches, mehrere hundert Personenc betragendes Auditorium habe. Besonders interessirt sich dafür die Damenwelt; und da wird so mancher Ausländer unser Land ein Bärenland nennen! Wenn man noch zurück ist, so sind die väter-||lichen fremden Regierungen und Civilisatoren daran Schuld. So viel Eifer für Lernen, wie hier, wenn gute Professoren sind, ist mir bei keinem anderen Volksstamm bekannt.
Ich übersende Ihnen meine Abhandlung über die Verhältnisse der Geschlechtsorgane der Fische – namentlich mehrere Hermaphroditen etc. zwar in polnischer Sprache, aber mit lateinischem Auszug und Erklärungen der freilich nicht sehr gelungenen Tafeln.
Sie werden jedenfalls das Wesentliche daraus entnehmen können. Wie schade ist es, daß wir nicht eine gebildete, gemeinschaftliche Sprache, so z. B. das Lateinische, besitzen.
Mit herzlichsten Grüßen verbleibe ich mit besonderer Hochachtung
Ihr ergebenster
Dr Syrski
a eingef.: gegen; b eingef.: der Menschheit; c eingef.: Personen