Strasburger, Eduard

Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Nizza, 22. Januar 1877

Nizza d. 22/1 1877.

Theurer Freund!

Unsere beiden Briefe haben sich unterwegs gekreuzt und so schreibe ich Dir heute nur weniger Worte um Dir für Deine lieben Zeilen zu danken. Ich arbeite 5–6 Stunden im Durchschnitt täglich an meinen Siphoneen, ob ich aber die Arbeit, so wie ich es hoffte, hier zum Abschluss bringen kann, wird mir jetzt fraglich. Seit fast drei Wochen quaele Ich beispielsweise jetzt || Bryopsis, ohne mit derselben recht vom Flecke zu kommen. Ich finde an derselben grosse und kleine Schwärmsporen und letztere müssten durchaus copulieren wollen es aber nicht. Ich mag die äussern Bedingungen verändern so sehr ich nur kann, es hilft Alles nichts. Zu schlimm ist es mit den Seepflanzen dass sie so empfindlich sind, auch in grösseren Gefässen geht mir nach einigen Tagen Alles regelmässig zu Grunde, ich muss zwei bis drei mal wöchentlich frisches Material in Villafranca holen. Zum Glück ist der Weg || der dorthin führt so schön dass ich seiner nicht müde werden kann, zum Glück auch, besitze ich in der Dorse von Villafranca ein Bassin dessen Wasser bei jedem Wetter ruhig ist und wo ich also sicher bin stets mein Material zu finden. Pflanzen die längst der ganzen Küste geschwunden sind haben sich in diesem ruhigen Wasser den ganzen Winter über gehalten und welche Zoologische Ausbeute hätte ich dort machen können! Fast sämmtliche Classen der seebewohnenden Thiere kamen mir durch die Hände und musste mich nur freuen dass meine Kenntnisse, || die ich Dir ja verdanke, im Allgemeinen zureichten um sie zu erkennen. Gestern war ich wahrhaft entzückt, denke Dir nur, hunderte von Exemplaren des Venusgürtels erfüllten die Dorse, ich konnte mich ihrer eleganten Form und Bewegung nicht genug freuen. Auch die schöne Melonenqualle, die gewöhnliche Aurelie und grosse durchsichtige Salpen waren in zahlreichen Exemplaren vertreten, doch hinderte mich der Venusgürtel daran ihnen die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken.

Sehr betrübt hat uns die Nachricht von dem Unglück das die Frommannsche Familie betroffen hat.

Ich drücke Dir herzlich die Hand und grüsse bestens Deine liebe Frau.

E. Strasburger

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
22.01.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12728
ID
12728