Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Warschau, 3. Januar 1869

Warschau d. 3/1 1869.

Hochgeehrter Freund!

Mit grosser Ungeduld und in bester Hoffnung erwarte ich weitere Nachrichten von Ihnen; ich lebea jetzt eigentlich nur von Stunde zu Stunde und getraue mir kaum eine grössere Arbeit zu beginnen, da ich nicht weiss, was mir der nächste Tag noch bringen mag. An meinem Handbuch wird fleissig fortgearbeitet, oder eigentlich fleissig fortgedacht, da ich mir kaum getraue noch etwas niederzuschreiben, und mir eifrig materialien sammle. Es ist doch wirklich sonderbar, dass nachdem Sie, durch Ihre Generelle Morphologie, so gesunde Anschauungen in die Wissenschaft hineingebracht, noch immer einen so grosse Verwirrung in den Grund-||begriffen herschtb c, und selbst im Hofmeisterschen Handbuch, die Morphologie erst bei den Organen beginnen kann; ich glaube die Sache mehr in Ihrem Geiste fassen zu können, doch wird die Arbeit wohl jedenfalls mehrere Jahre in Anspruch nehmen; es giebt ganze Capitel der Botanik mit denen eigentlich bis jetzt gar nichts anzufangen ist, in die [ich] mich aber von Grund aus werde einarbeiten müssen. Sie glauben gar nicht, wie sehr ichd mich auf eventuelle Gespräche mit Ihnen freue. Augenblicklich studire ich fleissig Atomistik (immer zu dem besagten Ziele) mein Bruder aus Berlin, als tüchtiger Mathematiker hilft mir dabei über etwaige Schwierigkeiten hinweg. Von Hofmeisters Handbuch ist jetzt der 2te Theil des ersten Bandes erschienen als „Allgmeine Morphologie der Gewächse von Wilh. Hofmeister – ich möchte Ihre || Aufmerksamkeit auf die letzten Kapitel lenken, etwa S 19–26, in welchen Hofmeister die Variabilität, Zuchtwahl, und die Beeinflussung der Gestaltung der Pflanzen durch äussere Kräfte bespricht. Es sind in diesen Kapiteln noch mehrere neue, sehr wichtige Thatsachen enthalten, die mehrere früher gemachten Einwände entkräftigen und sich sehr wohl werden verwerthen lassen. Ueber was haben Sie in Berlin gesprochen, werden Sie den Vortrag nicht drucken lassen? recht neugierig wäre ich, Ihre etwaigen Gespräche mit Alex Braun, da auch ich mich mit ihm über die Generelle Morphologie mehrfach discutiert habe.

Sie werden es sich leicht vorstellen wie schmerzlich mir die Nachricht vom Tode Schleichers war, ich hatte bei meinem letzten Aufenthalte in Jena so viel Freundschaft für Ihn gewonnen und freute mich so, ihn wiederzusehen. Doch ich habe ja || immer noch die Hoffnung Sie baldigst zu sehen, und ich will alles andere was ich Ihnen noch zu sagen hätte, eben auf diesen Augenblick verschieben. – und bleibe mit bestem Neujahrsgrusse, Ihnen herzlich ergeben

E. Strasburger.

a korr. aus letbe; b korr. aus herschte; c gestr.: dann; d korr. aus iich

Brief Metadaten

ID
12644
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Polen
Entstehungsland zeitgenössisch
Russisches Kaiserreich
Datierung
03.01.1869
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,0 x 22,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12644
Zitiervorlage
Strasburger, Eduard an Haeckel, Ernst; Warschau; 03.01.1869; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_12644