Joseph Fritz Zalisz an Ernst Haeckel, Leipzig, 9. September 1913
Leipzig, den 9. Sept. 1913.
Sehr geehrter Herr Professor!
Wieder einmal bin ich in der glücklichen Lage Ihnen eine kleine Überraschung zu teil werden zu lassen.
„Christliche Mythologie“ habe ich dies neue Blatt genannt welches mir schon lange ganz besonders am Herzen lag.
Es ist mir vielleicht mit diesem Blatte wie Goethe in seinem 2. Theile seines „Faust“ gegangen „zuviel gewollt“, aber was die Hauptsache ist:
ich habe schon viele Freunde damit gewonnen und dementsprechend natürlich auch viele Feinde und würde vielleicht noch mehr von dieser letzten Sorte bekommen, wenn es von allen verstanden würde. –
Mit dem Blatt selbst versuche ich folgendes zu verkörpern:
Der Leib „Christi“ vertritt die christliche Religion im allgemeinen und zwar: ||
Ohne Kopf (ohne Intellekt) und ohne Füße (ohne dauernden Bestand). –
Der römische Hirt, der daß neue, moderne, herrschende Geschlecht darstellt, wirft dieser „Lehre“ ihre Mängel vor, an welchena sie krankt, was durch die Handstellung angedeutet ist und damit dieses Blatt sich losreißt von aller Realistik habe ich den Körper Christi ins gigantische versetzt. -
Ich habe dies Blatt nochmals in Holz geschnitten, veranlasst durch das Geschenk von 2 Buchsbaumholzplatten von Professor Berthold – Leipzig; werde aber bei den späteren Arbeiten die Radierung vorziehen. –
Ich hatte mir vorgenommen diesen Sommer eingehende Studien im „Phyletischen Museum“ zu unternehmen, aber zu meinem größten Leidwesen war es mir beim besten Willen nicht möglich.
Das Leipziger Grassimuseum ist leider in || der prä-historischen Abteilung sehr unvollkommen und ich kann nur sehr wenig davon verwenden; so bin ich ganz auf ein paar b wenig gute Abbildungen zu meinem größten Ärger angewiesen. -
In der Hoffnung Ihnen mit diesem Blatte eine kleine Freude bereitet zu haben, verbleibe ich, mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen,
Ihr ergebener
J. Fritz Zalisz.
a korr. aus: welcher; b gestr.: W