Prag. 19.VI.1919.
Hochgeehrter Herr Geheimrath!
Ihre freundlichen und lieben Zeilen bestätigen mir aufs Neue, was mein Mann und ich erhofften als wir Karl nach Jena schickten, dass er an Ihnen einen väterlichen und wohlwollenden Freund gefunden hat, der grade die Zweige der Wissenschaft, die Karl so leidenschaftlich und hingebend neben seinen Berufsstudien stets pflegt, so voll beherrscht. ||
Es wird für sein ganzes Leben ein Glück und eine herrliche Bereicherung bleiben, war er jetzt durch Ihre Freundlichkeit sehn und hören darf. Und er wird, wenn er hoffentlich erleben wird, wie Deutschlands Stern wieder steigt, nie vergessen, dass er einem der starken, aufrechten Kämpfer aus Deutschlands grosser Zeit nahe sein durfte.
Die Kleinigkeiten, die wohl recht altbacken in Ihren Besitz kamen, waren ja so wenig, und es ist so schwer und selten eine Gelegenheit zu einer Sendung zu finden.
Dass Sie, Herr Geheimrat, mir eines Ihrer schönen Aquarelle schenken wollten, || ist für mich eine grosse Freude, denn ich habe, da ich selbst im Zeichnen Diletantin bin, stets eine besondere Vorliebe für Skizzen u. Handzeichnungen v. Künstlern gehabt und habe eine kleine Sammlung von Radierungen, Aquarellen und Skizzen von Malern, die mir lieb und wertvoll sind.
Karl ist Ihrem Rat gefolgt und hat, wenn auch allein, einen Pfingstausflug im Thüringer Land gemacht, hat die Wartburg, Eisenach, Friedrichroda besucht, lauter Orte die ich kenne, da ich als Mädl in Gera in die Schule ging, obwohl meine || Eltern in Wien wohnten.
Wir sind sehr froh, dass Karl diese harte Zeit inmitten des Deutschen Volkes verleben kann, uns geht es ja hier in äusserlicher Beziehung besser, aber auf die Seele eines jungen Mannes wirkt doch die Umgebung so stark ein, dass er draussen ganz andre Anschauungen bekommen wird.
Mit nochmals innigem Dank für alles Liebe, das Sie unserm Sohn erweisen
in aufrichtiger Verehrung
Ihre ergebene
Marie Umrath.