Otto Zacharias an Ernst Haeckel, Dessau, 28. Juli 1876
Dessau d. 28. Juli 76.
Geehrter Herr Professor!
Ich glaube, ich habe Sie schon früher einmal mit der Bitte angegangen, daß Sie mir bei meinema Bestreben die Tagesschriftstellerei mit einer andern befriedigenden Thätigkeit zu vertauschen, behilflich sein möchten. Ich hatte damals irgend eine Beschäftigung vor Augen, bei der ich meine Fähigkeit zu schreiben u. meine zoologischen Kenntnisse verwerthen könnte. Es schwebte mir damals die Stelle eines Assistenten bei dem Director eines zoologischen Gartens oder Aquariums als erstrebenswerthes Ziel vor.
Ich habe dieser Tage erst wieder Betrachtungen über die Nichtigkeiten angestellt, mit denen ich hier meine Zeit verbringe. In Görlitz war ich wenigstens Redacteur eines Civilblattes, wo die freie und unumwundene Meinungsäußerung gestattet war; hier bin ich aber ganz u. gar von dem Hofgeschmeiß abhängig u. habe gar keine eigene Ansicht mehr – darf b vielmehr keine haben. Das ist eine traurige Lebenslage, die mich im höchsten Grade || verstimmt u. abstumpft. Sollten Sie also gelegentlich einmal etwas von einer derartigen Stellung, wie ich sie angedeutet habe hören u. sollten Sie glauben, daß ich fähig wäre, sie auszufüllen: so erinnern Sie sich ja meiner u. theilen mir das Nöthige darüber mit.
Ich habe auch Dr. Friedrich v. Hellwald gebeten mir aus der Zeitungsmacherei herauszuhelfen u. wie er mir schreibt, will er sich Mühe geben etwas ausfindig zu machen. Könnte ich gelegentlich einmal die Redaction eines wissenschaftlichen Blattes übernehmen, so wäre mir das natürlich auch recht. Nur keine Politik mehr – !
…… Das bewußte Buch von Dr. Jäger ist zwar noch nicht erschienen – aber ich habe es in den Aushängebogen gelesen u. die Ueberzeugung gewonnen, daß es für den practischen Forscher sehr gute Winke enthalten muß. Den Nutzen seiner sogenannten Neurulaform, die er Ihrer Gastrula gegenüberstellt – begreife ich jedoch nicht. Es wird in einigen Wochen bei Braumüller in Wien erscheinen. ||
Kennen Sie Achille Quadri in Siena? Es ist jetzt schon das zweite Mal, daß ich von diesem Herrn darwinistische Essays zugesandt bekomme. Er ist ein eifriger Freund Ihrer Schriften u. trägt nach der „natürlichen Schöpfungsgeschichte“ an der Universität, wo er als Zoologe fungirt, vor. Heute schickte er mir Note alla teoria Darwiniana – einen Band von 300 Seiten.
– Ich hörte neulich von einem Darwin-Album, das man mit Photographien der deutschen Darwinisten versehen am 12. Februar 77 nach Down schicken wolle. Ihrer u. eines gewissen Rade geschah dabei Erwähnung u. es hieß der letztere sei der specielle Veranstalter. Soll ich einmal im „Ausland“ Propaganda machen? Oder hat die Sache schon so wie so Aussicht mit einem guten Erfolg?
Ergebenst grüßend
Ihr Otto Zacharias
a gestr.: dem; eingef.: meinem; b gestr.: sie viel-