Otto Zacharias an Ernst Haeckel, Görlitz, 2. Oktober 1875

2. Oct. Görlitz 1875.

Geehrtester Herr Professor!

Sie würden mir eine großen Gefallen thun, wenn Sie mir dieser Tage sagten, wann Sie mit Ihren Vorlesungen beginnen. Ich gedenke mich nämlich 14 Tage nach Jena zu setzen, um da von den Mühseligkeiten des schriftstellerischen Handwerks ein wenig aus zu ruhen. Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu versichern, daß ich in keinem Falle Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen werde. Ich gehe in den „Bär“; dort finde ich Alles was ich brauche.

Bei diesem Besuche möchte ich auch noch einmal mit Ihnen über die Darwinia sprechen. Ich muß auch wegen eines literarischen Projectes mit Costenoble persönlich sprechen.

Gegenwärtig stehe ich mit George Darwin in lebhafter Correspondenz. Ich übersetze für denselben seine marriages between first cousins ins Deutsche. Es ist nur eine kleine Broschüre. ||

In die „Gegenwart“ habe ich in diesen Wochen „Über die Naturwissenschaft als Unterrichtsgegenstand“ geschrieben.a Der Artikel ist von allen Pädagogen für „unzeitgemäß“ gehalten worden.

Eine tüchtige Abfertigung des Verfassers der Häckelogenie habe ich ins „Ausland“ sowohl, wie ins Athenäum (Jena) gebracht. Die im Ausland beträgt 5 Spalten. Hellwald hätte sie noch „gepfefferter“ lieber gehabt.

Nebenbei habe ich auch einen längern Essaÿ über den Ursprung des Lebens im Lichte der Entwicklungstheorie zu Papier gebracht. Derselbe erscheint demnächst in Jena. Diverse biographische Skizzen über den berühmten Görlitzer Schuster Jacob Böhme habe ich auch in die Welt hinaus geschickt. Alle zusammen erscheinen im November. Sie sollen sich wundern, Herr Professor, wie gesunde „Naturanschauungen“ dieser Böhme trotz seiner Mystik besaß. Ich hoffe der Erste zu sein, der das bemerkt hat.

Bitte also um gelegentliche Antwort auf meine obige Hauptfrage.

Ihr ergebener

Zacharias.

Post Scriptum.

Für Hellwald projectire ich jetzt einen Artikel über höhere und niedere Organisation. Mir scheint dieses Thema sehr fruchtbar u. interessant. Ich habe mir viel Stoff aus Darwins u. Ihren Schriften gesammelt. Ein solcher Artikel wäre ein Beitrag zur Philosophie der Zoologie. Wenn ich meine Ideen über hohe u. niedere Organisation im Geiste Revue passiren lasse, so stören mich immer die Siphonophoren. Diese können nach meiner Ansicht, ebenso zu den hochorganisirten als zu den niederorganisirten Organismen gezählt werden. Es kommt ganz darauf an, ob man Ihre Theorie von der Bildung solcher „Stöcke“ acceptirt oder nicht.

Z.

a eingef.: geschrieben

Brief Metadaten

ID
11877
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
02.10.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 11877
Zitiervorlage
Zacharias, Otto an Haeckel, Ernst; Görlitz; 02.10.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_11877