Otto Zacharias an Ernst Haeckel, Gera, 29. Juli 1874

Gera am 29. Juli. 74

Hochgeehrter Herr Professor! –

Die Ahnung von wegen meines kurzen Verbleibens in Liegnitz hat mich nicht betrogen. Ich habe meine dortige Position quittirt und bin bis auf weiteres wieder in Gera. So lange bis ich keine andere Redakteurstelle habe, muß ich frei herumliterarisiren.

Ich habe die Muße nun gleich dazu benutzt, um den bewußten Artikel über Sie u. Ihre Thätigkeit fertig zu machen. Ich möchte nur noch wissen, ob ich am Schlusse desselben noch Einiges über Ihr neues Werk sagen soll. Da ich Inhalt u. Tendenz desselben nicht genügend kenne, wäre mir ein authentischer Wink sehr willkommen.

Ferner würde ich Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie die Güte hätten und mir gelegentlich sagten, wo sich Prof. A. Wigand, der Antidarwinist befindet. Ich glaube in Marburg (?). || Verschiedene Leute, auch Prof. Leuckart meinten, daß meine Recension im Auslande vom 13. Juli viel zu lang gewesen sei. Indessen läßt sich doch grade an einem derartigen Buche das Widersinnige der a Annahme von Schöpfungsakten etc. eta. recht gut zeigen. Man schreibt ja auch im „Auslande“ mehr für das gebildete Laienpublikum als für die Fachleute und den Laien kann nach meiner Ansicht nicht oft genug die Notwendigkeit der von Darwin etc. gemachten Annahmen und Schlußfolgerungen verdocirt werden.

Sie beehrten mich vor einiger Zeit mit dem Auftrage über Ihr neues Werk in der Illustrirten Zeitung zu referiren. Ich warte sehnlichst auf das Erscheinen der Entwicklungslehre. Ich schrieb auch Dr. v. Hellwald, ob er geneigt sein würde, ein eingehendes Referat von mir in seiner Zeitschrift aufzunehmen u. suchte meiner Offerte dadurch Nachdruck zu geben, daß ich sagte, Sie hätten mir bereits den Wunsch ausgedrückt, daß || Sie das Werk nach seinem Erscheinen bald u. ausführlich besprochen wissen möchten.

Heute schreibt mir nun Dr. Hellwald sehr freundlich u. sagt mir, daß ihm selber die Besprechung von Ihnen, geehrter Herr Professor, übertragen worden sei u. daß er erst bei Ihnen anfragen wolle, ob er oder ich den betreffenden Artikel schreiben solle.

Ich habe ihm umgehend geschrieben, daß von einem solchen Wettbewerbe gar keine Rede sein könne, da es selbstverständlich sei, daß der bewährte u. bekannte Redacteur des Auslandes vor einem jungen Anfänger den Vorrang behaupte.

Ich habe mich schon selbst bei Dr. v. Hellwald entschuldigt u. ich thue es Ihnen gegenüber nochmals. Es wäre mir außerordentlich unlieb, wenn ich in den Verdacht geriethe, in dieser Weise Jagd auf fette u. pikante Artikel zu machen.

Der Abdruck des Artikels in der Illustrirten Zeitung wird nun wohl mit dem Erscheinen || Ihres Werkes zusammenfallen. Ich halte diesen Umstand, der durch die Verzögerung herbeigeführt worden ist eher für günstig als für nachtheilig.

Mit hochachtungsvollem und ergebenstem Gruße

Otto Zacharias.

Gera, Rossplatzgässchen No 9.

a gestr.: Schöpfungs

Brief Metadaten

ID
11867
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
29.07.1874
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,8 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 11867
Zitiervorlage
Zacharias, Otto an Haeckel, Ernst; Gera; 29.07.1874; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_11867