Otto Zacharias an Ernst Haeckel, Gera, 15. April 1874
15. April, Gera: 1874.
Hochgeehrter Herr Professor!
Sie erinnern sich gewiß unserer flüchtigen Begegnung von neulich. Ein glücklicher Zufall fügte es, daß ich Sie vor dem Thüringer Bahnhofsgebäude traf.
Ich glaube ich sagte Ihnen schon da, daß mich die Illustrirte Zeitung beauftragt hätte, eine kurze Biographie von Ihnen zu bringen. Sie waren so freundlich u. wollten mir Bild u. sonstiges Material zur Verfügung stellen. Ich erneuere nun meine Bitte u. ersuche Sie mir das Versprochene recht bald zuzusenden.
Neulich habe ich fürs Ausland ein Referat über Wigands Darwinkritik geschrieben, u. Dr. Hellwald hat mir baldige Veröffentlichung zugesagt.
Ich gedachte auch eine gedrängte Darstellung Ihrer Gasträa-Theorie mit Metschnikow’s Ausstellungen zu bringen und möchte Sie bitten mir gelegentlich zu sagen, ob Sie mittlerweile Ihre Meinung modificirt haben, oder nicht. ||
Neuerdings hat sich auch Claus über Ihre Typentheorie vernehmen lassen. Ist Claus, den ich nicht weiter kenne, berücksichtigungswerth?
Wie ich höre ist durch Gegenbaurs Arbeit über das Kopfscelet der Selachier ein wichtiger Beitrag zur ganzen Descendenzfrage geliefert worden. Ist das Buch für unser einen verständlich oder erfordert es großes vergleichend-anatomisches Detail?
Ich würde Ihnen für die kurze Beantwortung dieser Fragen sehr dankbar sein. Nach meiner Meinung hat sich jeder, der Anspruch auf wirkliches Verständniß von Welt, Natur u. Menschheit macht, mit dem Darwinismus so eng zu befreunden wie nur möglich. In diesem Sinne betreibe ich das Studium Ihrer u. Darwins Schriften. Viele Tropfen höhlen den Stein. Ich habe mit Genugthung bemerkt, daß ich in descendenztheoretischen Dingen manchmal ebenso leidlich orientirt war, wie Prof Leuckart. Ich verschaffe mir aber auch die geringste Broschüre in der ich etwas neues über die Angelegenheit wittere.
Hochachtungsvoll u. ergebenst
Dr. Otto Zacharias
Redakteur der Geraer Zeitung.