Loeske, Leopold

Leopold Loeske an Ernst Haeckel, Berlin, 8. Januar 1900

Berlin

Zimmerstr. 8 II,

8/1 1900

Hochverehrter Herr Professor!

Obgleich Sie mich nicht kennen, darf ich vielleicht aus dem Umstande, dass ich seit 20 Jahren Ihre Schriften „verschlinge“, die Berechtigung herleiten, einige Zeilen an Sie zu richten.

Ich habe Ihre „Welträthsel“ gelesen und eine Fülle von Anregungen daraus empfangen, wie aus wenigen Büchern je zuvor. Allein ich bin nicht nur Monist bis auf die Knochen, sondern auch Sozialdemokrat, kurz es hat mir bitter weh gethan, dass Ihr prächtiges Buch unter so vielem Schönen auch den Satz enthielt, dass die Sozialdemokratie um die Gunst des || Zentrums buhle. Thäte sie das wirklich, so wäre ich Sozialdemokrat „gewesen“. Aber in Wahrheit hat ein Sozialdemokrat keine Worte, um den Grad des Hasses gegen den Papismus auszudrücken. Vor den Jesuiten freilich fürchten wir uns nicht – sie sollen kommen und sich bei uns die Maske vom Gesicht reissen lassen.

Vielleicht darf ich Sie auf den Artikel von Dr. Fr. Mehring im Heft 14 der „Neuen Zeit“ aufmerksam machen, eine Kritik Ihres Werkes, die neben Licht auch Schatten vertheilt, aber wie ich glaube, Sie gerade darum in einer Weise ehrt, wie es keine noch so großartige einseitige Lobeserhebung vermöchte.

Soviel ist nach meinen Beobachtungen sicher, dass der || Monismus, dass Darwin – der englische und der deutsche – in keiner Partei auch nur entfernt so viel überzeugte Anhänger hat, als in der sozialdemokratischen.

Wie dem nun auch sei, wir hoffen alle von Herzen, dass es Ihnen, hochverehrter Herr, nicht Ernst sein möge mit dem Strich, den Sie mit dem Schluss des Jahrhunderts unter Ihr Leben machen möchten. Wir haben keinen zweiten Häckel in Aussicht. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung

Ihr ergebenster

Leopold Loeske

Redakteur

(& Bryologe)

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.01.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10957
ID
10957